Neuer Ansatz für Behandlung von bösartigen Hirntumoren
Neuer positiver Prognosefaktor gefunden
Außerdem konnte die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Wolfgang Wick, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuroonkologie des Universitätsklinikums Heidelberg, Professor Dr. Michael Weller, Direktor der Neurologischen Klinik des UniversitätsSpitals Zürich, sowie Professor Andreas von Deimling, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuropathologie des Universitätsklinikums Heidelberg, einen neuen Faktor identifizieren, der für eine positive Prognose - unabhängig von der Behandlungsform - spricht. Die Ergebnisse der Studie sind im "Journal of Clinical Oncology" veröffentlicht.
In Deutschland erkranken jährlich ca. 4.500 Menschen an einem Gliom, einem bösartigen Hirntumor. Rund 5 Prozent der primären Hirntumoren sind sogenannte anaplastische Gliome. Sie sprechen etwas besser auf die Therapie an als die meisten anderen bösartigen Hirntumoren. Das mediane Überleben in der Studie lag bei > 80 Monaten. Da sich die Tumoren sehr verzweigt im umliegenden Gewebe ausbreiten, können sie nicht vollständig entfernt werden. Eine nachfolgende Therapie in Form einer kombinierten Radiochemotherapie (Bestrahlung und Chemotherapie) ist der derzeitige Standard, schädigt aber häufig auch gesundes Hirngewebe, so dass z.B. die kognitiven Fähigkeiten des Patienten abnehmen.
Primäre Chemotherapie als gleichwertige Therapiemöglichkeit
Zwei vor kurzem durchgeführte Studien der European Organization for Research and Treatment of Cancer (EORTC) und der Radiation Oncology Therapy Group (RTOG) haben gezeigt, dass die kombinierte Radiochemotherapie nach dem bisher üblichen Schema keine besseren Therapieergebnisse bringt als die alleinige Radiotherapie. Die NOA-Studie wies nun nach, dass auch eine alleinige Chemotherapie nach chirurgischer Entfernung des Tumors einen gleichwertigen Erfolg hat. "Diese zusätzliche Therapieoption ermöglicht die Weiterentwicklung des Behandlungsschemas in neuen Kombinationen mit dem langfristigen Ziel, die Überlebensrate zu verbessern", sagt Professor Wolfgang Wick.
Genmutation sagt besseren Krankheitsverlauf voraus
Anaplastische Gliome werden abhängig von ihrer Gewebezusammensetzung in verschiedene Untergruppen eingeteilt, von denen man annimmt, dass sie unterschiedliche Prognosen haben. In dieser Studie jedoch hatten die vormals distinkten Untergruppen der oligodendroglialen Tumoren einen identischen klinischen Verlauf. Mit Hilfe umfangreicher molekularpatholgischer Untersuchungen am entnommenen Tumorgewebe identifizierten die Wissenschaftler einen neuen Prognosefaktor, die sogenannte IDH1-Mutation (Genveränderung der Isozitratdehydrogenase). Sie sagt unabhängig von der Gewebeart des anaplastischen Glioms und unabhängig von der Behandlung einen besseren Krankheitsverlauf voraus. Für den bereits bekannten Prognosefaktor "MGMT-Promotor-Methylierung" wiesen die Forscher nach, dass er nicht für die Chemotherapie prädiktiv, sondern für die Chemotherapie, aber auch für die alleinige Bestrahlung von prognostischem Wert ist. "Die Ergebnisse sind nicht nur für den klinischen Alltag, sondern auch für die aktuellen Studienkonzepte der großen Studiennetzwerke EORTC und RTOG relevant", erläutert Professor Wick.
Originalveröffentlichung: Wolfgang Wick et al.; "NOA-04 Randomized Phase III Trial of Sequential Radiochemotherapy of Anaplastic Glioma With Procarbazine, Lomustine, and Vincristine or Temozolomide"; Journal of Clinical Oncology