Parkinson: Eisensammeln bis zum Untergang

RUB-Forscher weisen Depot-Eisen-Protein Ferritin in Hirnnervenzellen nach

14.08.2009 - Deutschland

Bei der Parkinson-Krankheit sterben im Gehirn bevorzugt die Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin herstellen. Betroffen sind die Zellen der sog. Substantia Nigra, die den dunklen Farbstoff Neuromelanin enthalten. Von diesen Zellen ist auch bekannt, dass sie im Verlauf einer Parkinson-Erkrankung vermehrt Eisen anhäufen. Auf der Suche nach den Details dieser Prozesse haben Bochumer Forscher um Prof. Dr. Katrin Marcus gemeinsam mit Münchner und Würzburger Kollegen jetzt einen entscheidenden Fund gemacht: Sie wiesen erstmals Ferritin in den Neuromelanin-Körnchen der betroffenen Nervenzellen nach. Ferritin ist ein Eisen-Depot-Protein, das bislang nur in Stützzellen des Gehirns, nicht aber in Nervenzellen nachgewiesen worden ist.

Ruhr-Universität Bochum

Nachweis von L-Ferritin (Markierung mit Pfeil) mittels Immuntransmissions-Elektronenmikroskopie.

Dunkle Hirnsubstanz verblasst bei Parkinson

Bei der Untersuchung eines menschlichen Gehirns zeigt sich in Arealen des Hirnstamms eine auffallend dunkle Färbung der Substantia nigra und des Locus coeruleus. Ursache dafür ist das bläulich bis braun-schwarze Pigment Neuromelanin, das nur im Gehirn von Menschen und einigen Säugetieren (Primaten, Kühe, Pferde, einige Schafrassen) vorkommt. Die Forschung ist am Neuromelanin besonders deswegen interessiert, weil bei Parkinson-Patienten die Substantia Nigra verblasst: Der Farbstoff kommt vor allem in den dopaminergen Nervenzellen vor, die bei Parkinson vorwiegend absterben. Dopamin ist ein wichtiger neuronaler Botenstoff. Gehen dopaminerge Zellen zugrunde, führt das z.B. zu einer gestörten Bewegungsabstimmung. Das wiederum ruft die typischen Symptome der Parkinson-Krankheit hervor, wie Ruhetremor, zunehmende Schwierigkeiten beim Stehen sowie der Koordination allgemeiner Körperbewegung.

Schutzwirkung durch Eisen-Abfang

Nachdem die Bochumer Forscher gemeinsam mit Würzburger Kollegen die Zusammensetzung und Herstellung von Neuromelanin-Körnchen vor vier Jahren aufklären konnten, gingen sie jetzt dem Innenleben der Neuromelanin-Körnchen weiter auf den Grund. Hintergrund ihres aktuellen Fundes ist, dass bei Parkinson-Patienten zusätzlich zum selektiven Absterben der dopaminergen Nervenzellen in der Substantia Nigra eine Anhäufung von Eisen-Ionen (Fe3+) auffällt. Die Selbstregulation des Eisengehalts ist also gestört - je weiter die Krankheit fortgeschritten ist, desto stärker. Erhöhte Mengen an freiem Fe3+ führen u.a. zur gesteigerten Bildung von zellschädlichen freien Radikalen, was letztlich zum Absterben der Zellen führt. Neuromelanin ist in der Lage, Eisen-Ionen, wie auch andere Schwermetalle, zu binden. Lange war unklar, ob der Farbstoff durch das "Abfangen" von Eisen-Ionen die Zellen schützt, oder sie durch das Ansammeln von Eisen erst recht verwundbar macht. Forschungsergebnisse der letzten Jahre deuten eher darauf hin, dass Neuromelanin vor allem eine Schutzwirkung für die Nervenzellen hat.

Zusätzlicher Eisenspeicher-Weg

In der aktuellen Arbeit gingen die Forscher daher der Frage nach, ob es neben der direkten Bindung von Fe3+ an Neuromelanin noch einen weiteren Mechanismus der Eisenspeicherung in der Substantia Nigra geben könnte. Mit einer Kombination verschiedener Techniken (eindimensionale SDS-Gelelektrophorese, zielgerichtete massenspektrometrische Analyse, Westernblotanalyse sowie Immun-Transmissionselektronenmikroskopie) konnten sie nun erstmals Ferritin in den Neuromelanin-Granula nachweisen. Dieses wichtige Eisenspeicher-Protein war bisher im menschlichen Gehirn nur in Stützzellen (Gliazellen) nachgewiesen worden, nicht aber in Nervenzellen.

Neue Hypothesen zur Parkinson-Entstehung

"Das Ferritin in den Neuromelanin-Granula ist unseres Erachtens ein weiterer wichtiger Bestandteil der Eisen-Selbstregulation in der Substantia Nigra", folgert Katrin Marcus. "Dieser erste direkte Nachweis von Ferritin in den Neuromelanin-Granula der dopaminergen Nervenzellen ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines verbesserten Verständnisses des Eisenstoffwechsels der menschlichen Substantia Nigra und liefert Argumente für neue Hypothesen, die die Mechanismen der Eisen-gesteuerten Degeneration der Substantia Nigra bei der Parkinson-Krankheit betreffen." Derzeitige Arbeiten der Forscher sollen weitere offene Fragen klären: Wie z.B. ändert sich die Zusammensetzung der Neuromelanin-Granula während des Alterns und im Laufe der Parkinson-Erkrankung? Was ist die genaue Funktion des Neuromelanin in der Zelle? Warum sterben nur die Neuromelanin-enthaltenden Zellen der Substantia Nigra?

Kooperationspartner und Förderer

Die Forschungsarbeiten, die Prof. Dr. Katrin Marcus, Prof. Dr. Helmut E. Meyer, Dr. Florian Tribl und Dr. Elmar Langenfeld vom Medizinischen Proteom-Center der Ruhr-Universität Bochum zusammen mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Prof. Dr. Manfred Gerlach, Prof. Dr. Peter Riederer, Prof. Dr. Esther Asan, Prof. Dr. Thomas Tatschner, Prof. Dr. Gerhard Bringmann) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (Dr. Thomas Arzberger) durchführen, wurden durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften, das BrainNet Europe, die Deutsche Parkinson Vereinigung und das Bundesforschungsministerium (BMBF, Programme NGFN2 und NGFNplus) gefördert.

Originalveröffentlichungen: Tribl F. et al.; "Identification of L-ferritin in neuromelanin granules of the human substantia nigra - a targeted proteomics approach"; Mol Cell Proteomics 2009; 8:1832-38, [Epub ahead of print]

Tribl F. et al.; "'Subcellular proteomics' of neuromelanin granules isolated from the human brain"; Mol Cell Proteomics 2005, 4(7):945-57

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