MPI für Biochemie: Einem zentralen Regulator der Zellteilung und Tumorentwicklung auf die Schliche gekommen

02.05.2002

Krebs entwickelt sich dort, wo die Teilung von Zellen außer Kontrolle geraten ist. Die Zellteilung wird durch Proteine reguliert, deren Bildung durch Gene gesteuert wird. Wesentliche Erkenntnisse in der heutigen Krebsforschung liefern deshalb Studien zur Aktivierung oder Inaktivierung von Genen in Tumorzellen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried haben nun 476 verschiedene Gene identifiziert, die alle durch ein Protein reguliert werden. Das sogenannte c-MYC Protein bindet an die DNA der Zelle und aktiviert Gene, die für die Synthese von Proteine zur Unterstützung des Krebswachstums notwendig sind, z.B. Proteine für die Zellteilung. In der neuesten Ausgabe des renommierten Journals der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften (Proceedings of the American Academy of Science, PNAS, 30. April 2002) veröffentlichen Antje Menssen und Heiko Hermeking ihre Ergebnisse.

Zellen werden durch Signalproteine, die an die Zelloberfläche binden, zur Zellteilung angeregt. Dabei werden Signale über verschiedene Signalketten bis in den Zellkern weitergeleitet, um dort die Abschrift der Gene auf der DNA und damit auch die Synthese von Proteinen zu initiieren, die bei der Neubildung und Neuorganisation von Zellen benötigt werden. Dies können z.B. Gene zur Regulation der Proteinsynthese sein oder Proteine, die dafür sorgen, dass neugebildete Proteine die richtige drei-dimensionale Faltung erhalten; eine Voraussetzung für einen fehlerfreien Einsatz im Zellstoffwechsel. Schon länger ist bekannt, dass das für die Bildung des c-MYC-Proteins verantwortliche c-MYC-Gen bei Tumoren durch Signalketten aktiviert wird. C-MYK ist in fast allen menschlichen Tumoren aktiv. Es muss demnach eine Schlüsselrolle bei der Entstehung und Entwicklung von Tumoren haben. Einen wichtigen Beitrag zum Verständnis dieser Schlüsselrolle lieferten nun Menssen und Hermeking, indem sie die Gene ausfindig machten, die durch das c-MYC- Protein aktiviert werden. Diese Gene dienen der Entwicklung von Wirkstoffzielen für die Behandlung von Tumor- Erkrankungen oder für die Unterdrückung der Neubildung von Blutgefäßen zur Versorgung von Krebszellen. Mit Hilfe der sogenannten SAGE-Methode, konnten die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe "Molekulare Onkologie" am Martinsrieder Institut für Biochemie 476 c-MYC-regulierte Gene identifizieren. SAGE, die "Serielle Analyse der Genexpression", ermöglicht den gleichzeitigen Nachweis aller Genprodukte (mRNA) in einer Zelle (siehe auch www.sagenet.org).

Die SAGE-Methode wurde 1995 am Oncology Center der Johns Hopkins Universität in Baltimore, USA, entwickelt. Nach seiner Doktorarbeit erlernte dort Heiko Hermeking während eines Forschungsaufenthalts bei Bert Vogelstein und Ken Kinzler diese Technik und war einer ihrer ersten Anwender. SAGE beruht auf einer quantitativen Analyse von kurzen Nukleinsäure-Abschnitten, die aus Genprodukten isoliert werden und durch Computermodelle mit bereits bekannten Gensequenzen verglichen werden. Hermeking, seit knapp zwei Jahren wieder zurück in Deutschland, gilt als einer der wenigen SAGE-Experten hierzulande und wendet die Technik jetzt erfolgreich als Leiter einer eigenen Forschergruppe am Max-Planck-Institut für Biochemie an. Erstmals konnte er damit zusammen mit seiner Mitarbeiterin Antje Menssen eine komplette Übersicht der Gene erstellen, die durch das c-MYC-Protein aktiviert oder unterdrückt werden. Die gesamte Liste aller Gene stellen die beiden Wissenschaftler nun der Öffentlichkeit zur Verfügung (www.mpg.biochem.de/ hermeking). Zudem konnte Dr. Menssen zeigen, dass das c-MYC Protein direkt an regulatorische Bereiche der aktivierten Gene bindet. Einige der von Menssen und Hermeking identifizierten Gene sind bereits bekannte Ziele (Targets) für die Entwicklung von Tumortherapeutika, z. B. das Gen für die Cyclin-abhängige Kinase 4, die verstärkt in Darmkrebszellen und anderen Tumorarten gefunden wird. Zudem ist eine Substanz, welche Tumor-Neovaskularisierung durch Hemmung eines der c-MYC-induzierten Genprodukte (MetAP/p67) unterdrückt, bereits in der klinischen Erprobung als Krebstherapeutikum. Durch ihre Veröffentlichung der 476 durch c-MYC regulierten Gene haben die beiden Martinsrieder Forscher viele Möglichkeiten für die Erforschung von Krebstherapeutika für die Wissenschaft zugänglich gemacht. Einige der Gene könnten in Zukunft als Wirkstoffziele für die Behandlung von Erkrankungen wie Tumore oder für die Unterdrückung der Neubildung von Blutgefäßen zur Versorgung der Krebszellen dienen.

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