Natürliche Abwehrstrategien gegen gefährliche Maisschädlinge

04.08.2009 - Deutschland

Max-Planck-Wissenschaftler haben zusammen mit Kollegen der Universität Neuchâtel (Schweiz), der TU München und dem United States Department of Agriculture (University of Missouri, USA) transgene Maispflanzen getestet, die über ihre Wurzeln den natürlichen Lockstoff (E)-beta-Caryophyllen (EbetaC) in den Erdboden abgeben. EbetaC lockt Nematoden an, kleine Fadenwürmer, die die Raupen des Maiswurzelbohrers angreifen und töten. In Freisetzungsversuchen waren die Anzahl überlebender Schädlinge und der Schaden an den Wurzeln deutlich reduziert. Durch diese Art der natürlichen Verteidigung kann ein umweltschonender Anbau von Mais durch verringerten Einsatz von synthetischen Insektiziden ermöglicht werden.

Der Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera) ist in den USA der gefährlichste Maisschädling, sein Befall führt zu hohen Ertragseinbußen. Die Bekämpfung erfolgt durch Insektizide, Fruchtfolgen und durch - in Europa nicht zugelassene - gentechnisch veränderte Bt-Maissorten.

Auch in Deutschland ist der Schädling seit dem Jahr 2007 auf dem Vormarsch. Die Larven des Käfers fressen die Wurzelhaare und bohren sich in die Wurzeln der Maispflanzen. Die Folgen sind verheerend: Der Mais nimmt weniger Wasser und Nährstoffe auf, die Halme bleiben mickrig und knicken um. Wo der Maiswurzelbohrer zur Plage wird, errichtet das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Sicherheitszonen und verordnet den Einsatz des Insektizids Chlothianidin. Im Frühling 2008 löste dieses Insektizid eine ökologische Katastrophe aus: Das Pflanzenschutzmittel haftete nicht ausreichend an den gebeizten Maiskörnern; Clothianidin-kontaminierter Staub setzte sich auf Blüten ab und vergiftete so rund 330 Millionen Honigbienen.

"Viel umweltfreundlicher als der Einsatz von Insektiziden wäre der von natürlichen Fraßfeinden des Käfers", ist Jörg Degenhardt deshalb überzeugt. Zusammen mit Sergio Rasmann und Ted Turlings von der Universität Neuchâtel in der Schweiz und Jonathan Gershenzon vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena hatte der kürzlich an die Universität Halle berufene Wissenschaftler schon vor vier Jahren herausgefunden, dass angefressene Maiswurzeln Wildarten spezieller Würmer (Nematoden) anlocken, indem sie den Duftstoff (E)-beta-Caryophyllen (EbetaC) in den Boden abgeben. Auffallend bei diesen Versuchen war gewesen, dass die meisten nordamerikanischen Maissorten trotz Maiswurzelbohrerbefall keine Nematoden mehr anlocken konnten. Vermutlich ist im Verlauf konventioneller Maiszüchtung durch den Menschen in diesen Sorten die Fähigkeit zur Abgabe des Nematoden-Lockstoffes verloren gegangen.

Die Wissenschaftler widmeten sich daher einer Maissorte, die kein EbetaC erzeugen konnte. Zusammen mit Monika Frey von der TU München transformierte Jörg Degenhardt diese Maispflanzen mit einem Gen, das ein EbetaC erzeugendes Enzym kodiert. Deren Wurzeln konnten nun kontinuierlich EbetaC in den Erdboden abgeben. Ivan Hiltpold testete daraufhin in Freisetzungsexperimenten zusammen mit Bruce Hibbard von der Universität Missouri und dem United States Department of Agriculture, wie die Pflanzen Maiswurzelbohrerattacken überstehen.

"Die Freilandstudien zeigten, dass EbetaC abgebende transgene Pflanzen die Effektivität der nematodenvermittelten Bekämpfung von Maiswurzelbohrerraupen deutlich erhöhten", sagt Hiltpold. In Parzellen mit transgenen Maispflanzen, die EbetaC produzieren konnten, fand er weitaus weniger Wurzelschäden und ein um 60 Prozent vermindertes Auftreten von Diabrotica-Käfern im Vergleich zu Parzellen mit nicht-transgenem Mais. Dieser Wirkungsgrad entspricht der Effizienz der synthetischen, gegen Diabrotica eingesetzten Insektizide. Zusätzlich im Labor durchgeführte Arbeiten haben bestätigt, dass transgene Pflanzen, verglichen mit nicht transgenen, deutlich mehr Nematoden anlocken konnten. "Die Nutzung dieser indirekten Verteidigung ist eine attraktive Strategie, um die Resistenz von Pflanzen gegenüber pflanzenfressenden Insekten zu erhöhen und so weniger Pestizide ausbringen zu müssen", sagt Degenhardt. "Die in diesen Versuchen verwendeten transgenen Maispflanzen haben keinen kommerziellen Wert - sie dienten dem ‚proof of principle’, also dem Nachweis, dass es das EbetaC ist, das vor Maiswurzelbohrerbefall schützt".

Das EbetaC-Merkmal ist in anderen, meist europäischen Maissorten und auch in den Vorfahren des Mais vorhanden. Daher könnte einerseits durch konventionelle Züchtung das Merkmal wieder in EbetaC defiziente Pflanzen eingekreuzt werden. Andererseits verspricht die Erzeugung von EbetaC-Maissorten mithilfe der Gentechnik zusätzliche Vorteile: Sie ist schneller und verhindert den Verlust wichtiger Ertragsmerkmale der in der Landwirtschaft verwendeten Maissorten. In Kombination mit traditionellen Fruchtfolgen, bei denen abwechselnd Mais und Weizen angebaut werden, könnten drohende Maiswurzelbohrerplagen verhindert oder zumindest begrenzt werden.

In weiteren Experimenten soll nun untersucht werden, wie diese indirekte EbetaC Verteidigungsstrategie am sinnvollsten und ökologisch schonend für Mais und andere Pflanzen angewendet werden kann. Ein Patent über diese Arbeiten ist angemeldet.

Originalveröffentlichung: Jörg Degenhardt et al.; "Restoring a maize root signal that attracts insect-killing nematodes to control a major pest"; Proc. Natl. Acad. Sci. USA, Early Edition, 3.-7. August 2009

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