Kein Schutz vor dem Alter
Berliner Wissenschaftler weisen erstmalig einen direkten Zusammenhang zwischen mitochondrialer Fehlfunktion und Alterung nach
Als Cutis laxa (wörtlich: schlaffe Haut) bezeichnen Mediziner eine Gruppe von Erkrankungen, die mit vorzeitiger Alterung und schlaffer, faltiger Haut einhergehen. In der jetzt vorgelegten Studie untersuchten die beteiligten Wissenschaftler insgesamt 22 Familien auf der ganzen Welt, von denen 35 Mitglieder am Cutis laxa Syndrom erkrankt waren. Zusätzlich zu den typischen Alterungserscheinungen zeigten alle Betroffenen eine unterschiedlich ausgeprägte Beeinträchtigung ihrer geistigen Fähigkeiten. Mit Hilfe von neuesten Sequenzierungstechniken, mit denen eine ganze chromosomale Region auf einmal analysiert werden kann, gelang es den Forschern, ein Gen auf Chromosom 17 zu identifizieren, welches bei allen untersuchten Patienten verändert war. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich das von dem Gen kodierte Enzym PYCR1 in den Mitochondrien befindet und dort an der Synthese der Aminosäure Prolin beteiligt ist.
"Prolin ist der wichtigste Bestandteil des Kollagens, des zentralen Strukturproteins des menschlichen Bindegewebes", erläutert Stefan Mundlos, Leiter der Gruppe, die die jetzt veröffentlichten Arbeiten durchgeführt hat. "Daneben ist es aber auch in der Lage, sogenannte freie Radikale in der Zelle abzufangen." Freie Radikale (engl. Reactive Oxygen Species, ROS) sind extrem reaktionsfreudige Moleküle, die ständig innerhalb der Mitochondrien gebildet und z.B. für die Infektionsabwehr des Organismus benötigt werden. Wenn sehr viel ROS in der Zelle entsteht - ein Zustand, den die Wissenschaftler als oxidativen Stress bezeichnen - kann diese dadurch jedoch geschädigt oder sogar zerstört werden. "In verschiedenen Experimenten konnten wir nachweisen, dass die Mutation des PYCR1 vor allem zu einer erhöhten Empfindlichkeit der Zellen gegenüber oxidativem Stress führt. Werden diese nicht mehr ausreichend vor den ständig entstehenden ROS geschützt, sterben sie sehr viel schneller ab als normal und rufen dadurch die typischen Haut- bzw. Bindegewebsveränderungen hervor", sagt Mundlos.
Die von den Berliner Forschern veröffentlichten Ergebnisse zeigen erstmalig eine direkte Verbindung zwischen einer Fehlfunktion der Mitochondrien und der Alterung von Haut und Knochen des Menschen. In weiterführenden Arbeiten wollen die Wissenschaftler untersuchen, ob durch Stimulation des PYCR1 oder eine zusätzliche Zufuhr von Prolin in die Mitochondrien die altersabhängigen Veränderungen des Bindegewebes verzögert werden können.
Originalveröffentlichung: Reversade et al.; "Mutations in PYCR1 cause cutis laxa with progeroid features"; Nature Genetics, published online: 2 August 2009