Neue Ansätze im Kampf gegen SLE
Der SLE manifestiert sich besonders an der Haut, den Gelenken, den Gefäßen, dem Nervensystem und den Nieren. Die Nierenentzündung in Form einer sogenannten Glomerulonephritis ist besonders bedrohlich und kann trotz aggressiver Therapie auch heute noch bis zum Nierenversagen führen. Charakteristisch für den SLE ist eine Autoimmunreaktion gegen doppelsträngige DNS und Nukleosomen, also den Bausteinen der Erbsubstanz. Normalerweise besteht gegen Nukleosomen und DNS eine Immuntoleranz, die nur schwer zu durchbrechen ist.
Die Arbeitsgruppe von Dr. Voll hat gezeigt, dass Nukleosomen, besonders wenn sie aus apoptotischen Zellen freigesetzt werden, mit dem entzündungs- und immunstimulierenden Protein HMGB1 assoziiert sind. Im Gegensatz zu HMGB1-freien Nukleosomen induzieren HMGB1-haltige Komplexe die Aktivierung und Zytokinfreisetzung aus Makrophagen und dendritischen Zellen, die beide entscheidend an der Aktivierung des Immunsystems beteiligt sind. Immunsierung von Mäusen mit HMGB1-haltigen Nukleosomen führt im Gegensatz zu HMGB1-freien Nukleosomen zur Bildung der SLE-typischen Autoantikörper gegen doppelsträngige DNA und Nuklesomen. Entsprechend den Ergebnissen der Erlanger Arbeitsgruppe, die diese Untersuchungen in Kooperation mit Labors in Mailand und München durchgeführt hatte, ist der "Toll-like-Rezeptor" 2, einer der Rezeptoren für HMGB1, entscheidend für den immunstimulierenden Effekt der Nuklesomoen aus apoptotischen Zellen verantwortlich. Auch im Blut von Patienten mit SLE konnten die HMGB1-haltigen Nukleosomen nachgewiesen werden. Derzeit untersucht die Arbeitsgruppe, ob sich eine Antagonisierung von HMGB1 möglicherweise als therapeutischer Ansatzpunkt beim SLE eignet.
Plasmazellen im Visier der Forschung
Ein weiteres Projekt der Arbeitsgruppe IZKF-N2 hat Plasmazellen im Visier. Plasmazellen entstehen aus B-Zellen und produzieren große Mengen von Antikörpern, die uns normalerweise vor Infektionen, besonders vor Neu-Infektionen mit gleichen Erregern, schützen. Neben kurzlebigen Plasmazellen, die bereits nach wenigen Tagen wieder sterben, gibt es auch langlebige Plasmazellen, die im Knochenmark sitzen und praktisch lebenslang Schutz vor Re-Infektionen verleihen. Wenn diese langlebigen Plasmazellen jedoch gefährliche Autoantikörper produzieren, sind sie mit herkömmlichen Therapien praktisch nicht auszuschalten, weder durch hochdosierte cortisonartige Medikamente noch durch Zytostatika. Beim SLE sind z. B. Antikörper gegen doppelsträngige DNA und Nukleosomen an der Entstehung der Nierenentzündung entscheidend beteiligt, andere Auto-Antikörper können zu Thrombosen oder auch zur Zerstörung von Blutplättchen oder roten Blutkörperchen und sogar Gerinnungsfaktoren führen.
Zusammen mit Kollegen aus dem Deutschen Rheumaforschungszentrum in Berlin haben die Erlanger Forscher aus dem IZKF und der Medizinischen Klinik 3, der Sektion Hämatopoiese, Lehrstuhl Genetik (Prof. Dr. Thomas Winkler, Dr. Florian Weisel), der Nephropathologischen Abteilung (Prof. Dr. Kerstin Amann) und Dermatologie (Dr. Carsten Wiethe) ein neues Verfahren entwickelt, wie die langlebigen Plasmazellen relativ spezifisch mithilfe von Proteasominhibitoren eliminiert werden können. Der Hauptabbauort für defekte, überzählige oder unerwünschte Zelleiweiße sind die Proteasomen. Wie Prof. Dr. Ulrich Schubert (Institut für Virologie) gezeigt hatte, sind ca. 30% der neusynthetisierten Proteine defekt und müssen gleich wieder im Proteasomsystem abgebaut werden. Proteasominhibitoren hemmen den Abbau missgefalteter oder defekter Proteine innerhalb der Zelle.
Nachdem die Arbeitsgruppen von PD Dr. Voll, Prof. Dr. Hans-Martin Jäck (Abt. für Molekulare Immunologie/Med. Klinik 3), Prof. Dr. Schubert und Prof. Dr. Martin Gramatzki (Universität Kiel) gezeigt hatten, dass die Empfindlichkeit von maligne entarteten Plasmazellen (Plasmozytom- oder Myelomzellen) gegenüber Proteasominhibitoren mit ihrer Antikörpersyntheserate korrelierte, wurde in einem weiteren Projekt untersucht, ob auch normale Plasmazellen aufgrund ihrer sehr hohen Antikörpersyntheserate mit zwangsläufigem Anfall großer Mengen defekter Antikörper, auch gegenüber Proteasominhibitoren besonders empfindlich sind. Tatsächlich gelang es mithilfe des Proteasominhbitors Bortezomib, das zur Therapie des multiplen Myeloms zugelassen ist, nicht nur kurzlebige, sondern auch die sonst weitestgehend therapierefraktären langlebigen Plasmazellen zu eliminieren. In Tiermodellen für die SLE-Erkrankung konnte sogar eine bereits bestehende autoimmune Nierenentzündung erfolgreich behandelt werden.
Dieses neue Therapieprinzip könnte möglicherweise nicht nur die Behandlungsmöglichkeiten des SLE, sondern auch zahlreicher anderer Antikörper-vermittelter Krankheiten wie z. B. der Myasthenia gravis (Muskelschwäche durch blockierende Antikörper gegen den Actylcholinrezeptor an der neuromuskulären Synapse), der autoimmunhämolytischen Anämie und Immunthrombozytopenie entscheidend bereichern. Eine entsprechende Pilotstudie zur Therapie des SLE wird an der Med. Klinik 3 derzeit geplant.
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