Taktlose Herzen - Neuer Genort begünstigt Vorhofflimmern

15.07.2009 - Deutschland

Ein neu gefundender Genort kann das Risiko, an einem Vorhofflimmern zu erkranken, signifikant beeinflussen. Zu diesem Ergebnis kommen zwei groß angelegte, internationale Studien, an der auch LMU-Forscher maßgeblich beteiligt waren. Das Vorhofflimmern ist eine chronische Rhythmusstörung des Herzens, an der nach Schätzungen alleine in Deutschland bis zu einer Million Menschen und weltweit bis zu 600 Millionen Betroffene leiden. Bei dieser Erkrankung kann der elektrische Taktgeber des Herzens, der Sinusknoten, die feine Abstimmung der Herzkammern und -vorhöfe nicht mehr aufrechterhalten. Es kommt zu unkoordinierten Kontraktionen. Ein Vorhofflimmern ist nicht akut lebensbedrohlich, kann aber zu einem Schlaganfall oder zu Herzversagen führen. "Der von uns gefundene Genort auf Chromosom 16 kann das Risiko für diese Erkrankung beeinflussen", berichtet der LMU-Mediziner Privatdozent Dr. Stefan Kääb. "Er wirkt sich auf die Synthese eines Moleküls aus, das für die Herzentwicklung wichtig ist. Wir hoffen, dass sich aus unserem Ergebnis neue Erkenntnisse zur Entstehung des Leidens und längerfristig auch Therapieansätze ergeben." Die zweite Studie, an der LMU-Forscher unter der Leitung von Professor Martin Dichgans beteiligt waren, konnte denselben Genort identifizieren - und einen Zusammenhang zum Auftreten von Schlaganfällen nachweisen.

Bis zu drei Milliarden Schläge muss ein menschliches Herz im Laufe eines langen Lebens tun, um das Blut ohne Unterlass durch den Körper zu pumpen. Für einen reibungslosen Transport des Bluts sind die Kontraktionen der Vorhöfe und Kammern des Herzens perfekter koordiniert und aufeinander abgestimmt. Dafür sorgt der Sinusknoten, der sich aus einer Gruppe spezialisierter Zellen im rechten Vorhof zusammensetzt und den Takt über elektrische Signale vorgibt. Kann der Sinusknoten diese Aufgabe nicht mehr ausreichend erfüllen, entsteht eine Herzrhythmusstörung.

Das Vorhofflimmern als eine Variante davon ist selbst nicht akut gefährlich, kann aber zu lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen führen. Dann wird Blut nicht vollständig aus dem Herzen gepumpt und ein Gerinnsel entsteht - das ein Gefäß verstopfen und so eine Embolie oder einen Schlaganfall verursachen kann. In den USA und in Europa trägt jeder Vierte das Risiko, an einem Vorhofflimmern zu erkranken. Familienstudien lieferten zudem erste Hinweise auf eine genetische Komponente: Die direkten Verwandten von Patienten sind besonders gefährdet, ebenfalls ein Vorhofflimmern zu entwickeln.

In der nun vorgelegten genomweiten Assoziationsstudie arbeiteten neben den LMU-Forschern um Kääb auch Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums München, der TU München und von 40 weiteren europäischen und US-amerikanischen Einrichtungen zusammen. Sie identifizierten Gene, die mit einem Vorhofflimmern assoziiert sind sowie deren natürlich vorkommenden Varianten. Gene sind Abschnitte des Erbmoleküls DNA und enthalten die Bauanleitung für Proteine. Die Daten von mehr als 40.000 Menschen europäischer Abstammung wurden analysiert - und zweieinhalb Millionen häufige Varianten untersucht. Mit Erfolg: Die Forscher konnten einen wichtigen neuen Genort auf dem Chromosom 16 identifizieren.

Das Ergebnis wurde schließlich an 6.000 weiteren Personen überprüft und auf diesem Weg bestätigt. Dieses wichtige Patientenkollektiv brachte das Team um Kääb in die Studie ein. Damit ist nun - nach einem bereits bekannten Genort auf Chromosom 4 - eine zweite Region im menschlichen Genom nachgewiesen, die das Risiko für ein Vorhofflimmern signifikant beeinflusst. "Der Genort wirkt sich auf die Synthese eines Moleküls aus, das für die Herzentwicklung wichtig ist", sagt Kääb. "Uns geht es jetzt um die funktionelle Charakterisierung des betreffenden Gens, um neue Erkenntnisse zur Entstehung der Krankheit zu erhalten und um möglicherweise neue Therapieformen zu entwickeln."

Das Projekt wurde unter anderem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über das "Kompetenznetz Vorhofflimmern", das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN), den LMU-Investitionsfonds im Rahmen der Exzellenzinitiative und die "Fondation Leducq" gefördert.

Originalveröffentlichungen: Emelia J. Benjamin et al.; "Variants in ZFHX3 are associated with atrial fibrillation in individuals of European ancestry"; Nature Genetics online, 13. Juli 2009

Daniel F. Gudbjartsson et al.; "A sequence variant in ZFHX3 on 16q22 associates with atrial fibrillation and ischemic stroke"; Nature Genetics online, 13. Juli 2009

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