Tumorzellen zum Selbstmord überreden
Heidelberger Pathologe Privatdozent Dr. Wilfried Roth mit dem Rudolf-Virchow-Preis ausgezeichnet
Apoptose heißt das Zauberwort: Normalerweise besitzt jede Zelle ein Programm, das unter entsprechenden Bedingungen den Tod der Zelle auslöst (Apoptose). Eine elegante Methode, Tumorzellen zum Verschwinden zu bringen, ist die Möglichkeit, dieses Selbstmordprogramm in Gang zu setzen. Die molekularen Abläufe der Apoptose sind jedoch äußerst komplex und können an vielen Stellen gestört sein. Besonders Tumorzellen entwickeln zahlreiche Strategien, um sich dem Zelltod zu entziehen.
Im Pathologischen Institut und im DKFZ tätig
Bereits während seines Studiums in Tübingen beschäftigte sich Wilfried Roth in seiner Doktorarbeit mit dem Thema Apoptose. Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsaufenthaltes in den USA (Burnham Institute, San Diego) konnte er seine Kenntnisse hierzu weiter vertiefen. Seit 2004 ist er am Pathologischen Institut des Universitätsklinikums Heidelberg tätig, wo er sich auch habilitierte. Neben seiner Arbeit als Oberarzt leitet der 39-jährige Forscher seit 2005 die von der Deutschen Krebshilfe geförderte Max-Eder-Nachwuchsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum.
"Forschung ist natürlich Teamwork", sagt Wilfried Roth, "und da ich mich für den Virchow-Preis mit mehreren Veröffentlichungen beworben habe, ist die Arbeit zahlreicher Personen in diese Forschungsergebnisse geflossen." Seine Mitarbeiter arbeiten sowohl am Pathologischen Institut als auch am Deutschen Krebsforschungszentrum.
Neue Therapieansätze durch Eingreifen in die Signalketten
Die Wissenschaftler um Roth versuchen, entscheidende Regulationsschritte im Ablauf des Zelltodes ausfindig zu machen, um dort mit neuen Wirkstoffen das Tumorwachstum zu bekämpfen. Dabei kann bei jeder Tumorart ein anderer Schritt verändert sein. Hirntumoren zum Beispiel produzieren ein Protein, das den Zelltod hemmt. Dadurch sind sie schwerer zu therapieren. Verhindert man die Bildung dieses Proteins, so kann die Zelltodkaskade wieder ablaufen.
In Nierentumoren ist dagegen ein bestimmter, den Zelltod auslösender Rezeptor, vermehrt vorhanden. Roth und seine Mitarbeiter sehen hier die Möglichkeit, mit Wirkstoffen, die gezielt an diesem Todesrezeptor angreifen, die Therapie wirksamer zu machen.
Aussagekräftige Prognosefaktoren für die Therapieentscheidung
Patienten mit einem voraussichtlich schwereren Verlauf der Krebserkrankung können von zusätzlichen, z.T. neuen Therapien profitieren. Unabhängige Prognosefaktoren helfen, sich für solche adjuvante Therapiestudien zu entscheiden. Die Forschergruppe um Roth identifizierte bei Patienten mit einem Nierentumor Faktoren in der Apoptose-Signalkette, die den Verlauf und die Sterblichkeit anzeigen können: Das Protein DcR3 (Decoy Receptor 3) bindet und inaktiviert dadurch einen Botenstoff, der den Zelltod auslöst. DcR3 kann im Blut gemessen werden und weist bei erhöhten Werten auf eine ungünstige Prognose hin. Ähnliches gilt für einen Todesrezeptor und den an ihn bindenden Botenstoff, deren Vorkommen im Tumorgewebe überprüft wird.
Originalveröffentlichungen: Macher-Goeppinger S et al.; "Prognostic value of Tumor Necrosis Factor-Related Apoptosis-inducing ligand (TRAIL) and TRAIL receptors in renal cell cancer"; Clinical Cancer Research 2009, 15, 650-659
Tagscherer KE et al.; "Apoptosis-based treatment of glioblastoma with ABT-737, a novel small molecule inhibitor of Bcl-2 family proteins"; Oncogene 2008; 27, 6646-56