Gene aus dem Eis
Forscher des Alfred-Wegener-Instituts erhalten international einmaliges Projekt, um das Erbgut eines polaren Ökosystems zu entschlüsseln
Christiane Uhlig, Alfred-Wegener-Institut
In einem internationalen Wettbewerb, den die Firma Roche für die Förderung von Sequenzierungsprojekten ausgelobt hatte, gelang es dem Molekularbiologen Klaus Valentin vom Alfred-Wegener-Institut und seinem Kollegen Thomas Mock von der University of East Anglia, Norwich, UK, sich gegen eine große internationale Konkurrenz von rund 250 Anträgen, darunter auch medizinische Projekte, durchzusetzen und den zweiten Platz zu belegen. Dadurch erhalten die Molekularbiologen mit einem Projekt der Grundlagenforschung Zugang zu den weltweit derzeit einzigartigen methodischen Möglichkeiten der Firma Roche und können ein Metagenom in einer Größe von bis zu 3 Milliarden Basenpaaren sequenzieren. Zum Vergleich: ein durchschnittliches Gen ist ca. 1.500 Basenpaare groß, eine Meereisalge umfasst etwa 50-100 Millionen Basenpaare. Die vorgesehene Datenmenge entspricht also potenziell 1-2 Millionen neuer Gene oder 50 einfach sequenzierten Eisalgengenomen. Weltweit wurden bisher nur wenige, überwiegend bakterielle Metagenome verschiedener Lebensräume entschlüsselt. Mit dem neuen Projekt wird erstmals ein eukaryotisches, genetisch also komplexeres, polares Metagenom sequenziert.
Dabei wollen die Mikrobiologen aus Bremerhaven und Norwich auch Gene finden, die derzeit "ausgeschaltet" sind. "Durch unsere bisherige Arbeit haben wir vor allem aktive Erbanlagen entschlüsselt, die für das Überleben unter heutigen Lebensbedingungen mitbestimmend sind. So konnten wir bei polaren Kieselalgen zum Beispiel Gene für Gefrierschutzproteine finden", erläutert Klaus Valentin. "Mit dem neuen Projekt wollen wir auch die Potentiale kennen lernen, die im Erbgut schlummern. Deshalb werden wir aktive und inaktive Gene sequenzieren. Denn wenn sich in Zukunft Umweltfaktoren wie Temperatur, Kohlendioxidkonzentration oder Lichtintensität verändern, ist es wichtig zu wissen, über welche Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel polare Lebensgemeinschaften aufgrund ihrer genetischen Grundausstattung verfügen."
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