Verursacher von Muschelvergiftungen identifiziert
Urban Tillmann, Alfred-Wegener-Institut
Wie die Zeitschrift European Journal of Phycology in ihrer neuesten Ausgabe berichtet, handelt es sich dabei um eine winzige Algenart, den Dinoflagellaten Azadinium spinosum. Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung haben den bisher unbekannten und nun erstmals beschriebenen Organismus aus der Nordsee isoliert, im Labor vermehrt und als Produzent der Giftstoffe identifiziert.
Muscheln essen ist für viele ein Hochgenuss, der allerdings nicht immer ganz ungefährlich ist. Seit langem ist bekannt, dass der Verzehr von Muscheln beim Menschen zu Vergiftungen mit Durchfall, Übelkeit, Erbrechen und Lähmungserscheinungen führen kann. Die Ursache sind zumeist Nervengifte, die von bestimmten Einzellern, den so genannten "toxischen Algen" im Meer produziert werden. Da Muscheln im Laufe der Zeit große Mengen solcher Kleinstlebewesen aus dem Meerwasser filtrieren, nehmen sie auch deren Gifte auf und reichern diese in ihrem Körper an.
Eine Gruppe von Algengiften sind die so genannten Azaspirazide. Vergiftungen mit Azaspiraziden traten erstmalig 1995 in den Niederlanden nach dem Verzehr von Muscheln aus Irland auf. Während das Gift selbst relativ gut untersucht ist, blieb die Frage nach seiner Herkunft trotz intensiver Forschungen unbeantwortet. Seit 2003 galt nach Untersuchungen irischer Wissenschaftler die bis dahin als völlig harmlos geltende Algenart Protoperidinium crassipes als Quelle des Giftes. Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Ökologische Chemie um den Biologen Dr. Urban Tillmann und den Chemiker Dr. Bernd Krock vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft konnten nun zeigen, dass Protoperidinium, wie andere gefräßige Einzeller und die Muscheln, nur der Träger, aber nicht der Produzent der Giftstoffe ist. Sie isolierten eine kleine, als Azadinium spinosum neu beschriebene Algenart aus der Nordsee und wiesen die Produktion des Algengiftes im Labor nach.
"Mit unseren Laborkulturen können wir mit Hilfe molekularbiologischer Techniken so genannte Gensonden herstellen", erklärt Tillmann. "Diese Gensonden weisen die Gift produzierenden Algen in Wasserproben nach und bieten zukünftig ein effektives Frühwarnsystem für Muschelfarmen", sagt Tillmann weiter. Neben solchen angewandten Aspekten interessieren die Forscher aber auch ganz grundlegende Fragen: Warum produziert die Alge Azaspirazide und welche ökologische Funktion haben solche Gifte? Um diesen Fragen nachzugehen, planen die Forscher schon die nächste Expedition: Ende April geht es mit dem Forschungsschiff Heincke erneut auf die Nordsee.
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