Tempolimit in der Zelle
Kohlenmonoxid unterbindet Verkehrchaos bei der Zellwanderung
Das Nervensystem des Heuschreckendarms entwickelt sich in großen Teilen ähnlich wie bei Wirbeltieren, allerdings ist es einfacher gebaut und deshalb leichter zu manipulieren. Es bietet somit ein ausgezeichnetes Untersuchungsmodell. Knipp und Bicker haben sich bei ihren Untersuchungen auf Mitteldarmnervenzellen konzentriert. Sie entstehen auf dem Vorderdarm und wandern in einem charakteristischen Muster in einer Art “Neuronen-Kolonne” über die äußerste Gewerbeschicht des Darms zu ihrem endgültigen Wirkungsort, dem Mitteldarm. Wird das Enzym blockiert, das dafür sorgt, dass Kohlenmonoxid freigesetzt wird, nimmt die Geschwindigkeit der Zellwanderung deutlich zu. Umgekehrt wurde die Fortbewegung der Nervenzellen durch die künstliche Zugabe von Kohlenmonoxid deutlich abgebremst. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass das gasförmige Kohlenmonoxid als eine Art zellinternes Verkehrsleitsystem in der Lage ist, die Nervenzellen abzubremsen. So wird möglicherweise ein Auseinanderfallen der Neuronen-Kolonne verhindert und sichergestellt, dass keine „Abbiegespuren” verpasst werden.
Bereits in einer vorangegangenen Studie konnte die Arbeitsgruppe zeigen, dass der gasförmige Botenstoff Stickstoffmonoxid für die Zellmigration während der Entwicklung des Heuschrecken Darmnervensystems essentiell ist. Wird die Synthese des Stickstoffmonoxids blockiert, verlangsamt sich die Geschwindigkeit der Nervenzellen drastisch. Stickstoffmonoxid hat also die zum Kohlenmonoxid entgegengesetzte Wirkung. Während Stickstoffmonoxid als neuronaler Botenstoff und regulatorisches Signalmolekül bereits anerkannt ist, konnten Knipp und Bicker erstmals auch für Kohlenmonoxid eine entwicklungsbiologische Funktion nachweisen.
In ihren weiteren Arbeiten wollen die Zellbiologen der TiHo herausfinden, ob die Gastransmitter bei der Entwicklung von Wirbeltiernervensystemen ähnliche Funktionen haben. Außerdem soll die Forschung zur Entwicklungsbiologie des Heuschreckennervensystems intensiviert werden. Solche Kenntnisse könnten von Nutzen sein, um den Fressapparat dieses Schadinsekts bereits im Embryonalstadium auszuschalten, um so einen Beitrag zur Schädlingsbekämpfung zu leisten.
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