Zellulärer Maschinenbau
Und es gibt sie doch: Maschinenbauer, die in Zellen dafür verantwortlich sind, molekulare Maschinen zusammenzubauen, die eine Vielzahl lebenswichtiger Prozesse in der Zelle ausführen, wie beispielsweise das richtige Umschreiben der Erbinformation in ein Protein. Das ist neu, denn bisher dachten Forscher, dass diese sich selbst organisieren.
Arbeiten die Maschinenbauer nicht richtig, könnte dies eine Quelle für Fehlfunktionen und damit Ursache vieler Erkrankungen sein. Gezeigt haben das die Würzburger Wissenschaftler bereits für die Spinale Muskelatrophie. Wie die Maschinenbauer eines so genannten RNA-Proteinkomplexes arbeiten, beschreiben die Forscher um Utz Fischer vom Biozentrum der Universität Würzburg und Holger Stark vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in der Zeitschrift "Cell".
In der Zelle sind Maschinenbauer am Werk
In unseren Zellen läuft eine Vielzahl von Prozessen ab, die wie in einer großen Fabrik von vielen verschiedenen Maschinen verrichtet wird. Da diese Maschinen in der Regel nur wenige Millionstel Millimeter im Durchmesser groß sind, nennt man sie auch "Molekulare Maschinen". Ähnlich der von Menschenhand gebauten Maschinen sind sie oft sehr komplex aufgebaut, statt aus Metall oder Plastik bestehen sie aus Proteinen oder Nukleinsäuren (DNA und RNA). Deshalb war es auch kaum zu glauben, dass sich diese hoch komplexen Maschinen spontan zusammenlagern sollten - wie dies einige Forscher behaupteten. "Diese Annahme ist jetzt eindeutig widerlegt. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Zelle ähnlich vorgeht wie wir es von der Konstruktion einer Maschine in einer Fabrik kennen. Richtige Maschinenbauer sind da am Werk", erläutert Utz Fischer.
Proteine arbeiten nach einem vorgegebenen Bauplan
Fischer und sein Forscherteam untersuchten hierzu den Aufbau von RNA-Proteinkomplexen des Spleißosoms. Hierbei handelt es sich um eine komplexe molekulare Maschine; ihre Aufgabe ist es, das Umschreiben der Erbinformation in Proteine zu kontrollieren. Fischers Mitarbeiter fanden eine Gruppe von Proteinen, die nicht beim Umschreiben, also dem Prozess selbst, sehr wohl aber in der Aufbauphase eine Rolle spielten. "Es lag nahe zu vermuten, dass diese Proteine als Zusammenlagerungsgehilfen agieren", sagtFischer. Die Art und Weise, wie sie das machen, war überraschend: "Der Aufbau gleicht einem komplizierten Puzzle, dessen Lösung nur durch das Zusammenarbeiten von unterschiedlichen Proteinen möglich wird, die als Zulieferer und Monteure wirken", erklärt Fischer.
Zunächst werden Gruppen von Proteinen vorgefertigt, die auch im vollendeten RNA-Proteinkomplex dicht beieinander platziert werden müssen. Diesen Job verrichtet ein Helfer, der als Zulieferer agiert und die korrekte Bildung der Proteine sowohl zeitlich als auch räumlich überwacht. In der Fachsprache werden derartige Helfer "Chaperone", also Anstandsdamen, genannt. Die vorgefertigten Untereinheiten werden dann an den eigentlichen Monteur, den SMN-Komplex, übergeben. Dieser fügt die Proteine mit der RNA zu einem funktionierenden Ganzen zusammen. "Der Aufbau dieser Partikel erfolgt also nach einem vorgegebenen Bauplan, wobei sowohl Zulieferer als auch Monteure das Voranschreiten ständig einer Qualitätskontrolle unterziehen", erläutert Ashwin Chari, der die Studie experimentell leitete und durchführte.
Fehlerhafte Maschinen führen zu schweren Krankheiten
Funktioniert dieses System des Zusammenbauens nicht mehr, können Krankheiten die Folge sein. Ein Beispiel ist die Spinale Muskelatrophie (SMA). In den Zellen der Betroffenen schaffen es die Helfer nicht, Maschinen in ausreichender Zahl zu produzieren. Deshalb fehlt es an den wichtigen RNA-Proteinkomplexen. Bei den Erkrankten sterben die Nervenzellen im Rückenmark; schwerste Lähmungen und Tod sind die Folge.
Originalveröffentlichung: Ashwin Chari et al.; "An Assembly Chaperone Collaborates with the SMN Complex to Generate Spliceosomal SnRNP": Cell 2008