Forschungsnetz für Darmbakterien

BMBF fördert Verbundprojekt zur Systembiologie

09.10.2008 - Deutschland

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert in den nächsten drei Jahren die Erforschung biotechnologisch genutzter Bakterien. Knapp 1,4 Millionen Euro fließen in ein Verbundprojekt, das die Regulation von genetischen und Stoffwechsel-Netzwerken im Darmbakterium Escherichia coli untersucht. Das Projekt wird von Reinhard Guthke am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie - Hans-Knöll-Institut (HKI) koordiniert. Beteiligt sind die Universitäten Jena und Osnabrück, das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, das Max-Planck-Institut für die Dynamik komplexer technischer Systeme sowie als Industriepartner die Firma BioControl Jena GmbH.

Der menschliche Organismus enthält zehnmal mehr Bakterien als eigene Körperzellen. Ein wesentlicher Teil davon verrichtet im Darm lebensnotwendige Dienste bei der Verdauung. Deren prominentester Vertreter, Eschericha coli, gilt als das bestuntersuchte Bakterium überhaupt. Die gesamte Erbinformation ist entschlüsselt und die Wissenschaftler kennen sich in der Vielzahl einzelner Stoffwechselwege bestens aus. Eschericha coli wird heute für die Herstellung einer Vielzahl wichtiger Arzneistoffe verwendet. Nach gezielter Veränderung der Erbinformationen produzieren diese „Arbeitspferde der Biotechnologen“ menschliches Insulin sowie Wachstums- und Blutgerinnungsfaktoren für die Behandlung von Krankheiten, aber auch abbaubare Biokunststoffe, die als Verpackungsmaterial oder für chirurgische Nähte verwendet werden.

Will man Produktausbeute steigern ist es erforderlich, das Netz von Stoffwechselwegen, die der Energieversorgung dienen, zu beeinflussen. Im nunmehr geförderten Projekt soll genau das erreicht werden: Bioinformatiker, Bakteriengenetiker und Biotechnologen wollen aus der Fülle an Einzeldaten den Gesamtstoffwechsel am Computer modellieren und dessen genetische Regulation nachvollziehen. Das System soll dazu dienen, das Verhalten von Escherichia coli bei bestimmten Situationen in der Umgebung vorherzusagen und durch Experimente zu überprüfen. Von besonderem Interesse sind dabei Oszillationen im Zuckerstoffwechsel, also sehr kurzzeitige Schwankungen, die weitreichende Auswirkungen auf die gebildeten Proteine haben können. Diese Phänomene sind bisher noch nicht erklärbar.

Zunächst gilt es, Ordnung in die Datenflut zu bekommen. Die Fülle der bereits vorliegenden Erkenntnisse muss in ein einheitliches, mathematisch fundiertes System gebracht werden. Denn auch wenn die Lebensäußerungen einer einzelnen Bakterienzelle zunächst unüberschaubar komplex erscheinen, so beruhen doch alle Reaktionen des Stoffwechsels auf einem fein ausbalancierten Netz von Regulationsmechanismen, die man berechnen kann. Die durch Computersimulation gewonnenen Resultate werden anschließend am Bakterium selbst überprüft. Die Forscher erhoffen sich, die Bakterien durch gezielte gentechnische Eingriffe künftig effektiver kultivieren zu können und damit in kürzerer Zeit mehr medizinisch anwendbare Produkte zu gewinnen.

Für den Koordinator Reinhard Guthke ist die bunte Mischung der beteiligten Wissenschaftler reizvoll: „Es ist spannend und interessant, wie sich Physiker, Computerspezialisten, Mikrobiologen und Verfahrenstechniker zusammenfinden um mit ihrer spezifischen beruflichen Sicht die Anliegen der anderen Partner zu verstehen und in die eigene Arbeit einzubeziehen. Schließlich wird jeder Forscher ein Mosaiksteinchen zum Projekt beitragen. Über unseren Industriepartner BioControl Jena – ein Spezialist für Bioinformatik und Biotechnologie – haben wir natürlich auch den wirtschaftlichen Aspekt im Blick. Schließlich gilt es, den Ruf Jenas als exzellenten Biotechnologie-Standort weiter auszubauen und unseren hochqualifizierten Wissenschaftlern eine berufliche Perspektive zu geben.“

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