Poren öffnen dem Tod die Tür

Wissenschaftler klären den Hauptzugangsweg, über den Virus-befallene Körperzellen und Tumorzellen von körpereigenen Abwehrstoffen angegriffen werden

04.09.2008 - Deutschland

Unser Körper wird von Krankheitserregern und spontan entstehenden Krebszellen bedroht. Doch der Körper wehrt sich: Spezialisierte Zellen des Immunsystems schleusen Granzyme in Virus-befallene Körperzellen sowie Krebszellen ein, und lösen so das eingebaute Selbstmordprogramm der Zellen aus. Um in eine attackierte Zelle zu gelangen, gibt es zwei mögliche Wege. Trotz Forschung blieb jedoch unklar, auf welchem der beiden Wege die tödliche Menge an Granzymen in eine Zelle eindringt. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie zeigen nun, dass Poren in der Zelloberfläche den Granzymen für kurze Zeit die Tür öffnen. Die Ergebnisse eröffnen auch neue Perspektiven für eine verbesserte Therapie von chronischen Virusinfektionen und Krebserkrankungen.

Der Körper muss sich gegen Krankheitserreger wehren. Mit jedem Liter Blut, der durch unseren Körper gepumpt wird, werden daher bis zu fünf Milliarden weiße Blutkörperchen auf Patrouille geschickt. Ein Teil dieser Zellen reagiert auf Krankheitserreger mit der Produktion von Antikörpern, die exakt auf den erkannten Erreger zugeschnitten sind und diesen präzise angreifen. Gleichzeitig lassen sie Gedächtniszellen entstehen, die diesen Erreger bei einem erneuten Angriff wiedererkennen.

Neben diesen Taktikern unter den weißen Blutkörperchen gibt es eine zweite Gruppe von Zellen: T- und Killer-Zellen haben sich auf Virus-infizierte Körperzellen und Tumorzellen spezialisiert. Zunächst müssen die Granzyme in die kranke Zelle eingeschleust werden. Erst dort entfalten sie ihre Wirkung: Sie manipulieren die schädliche Zelle so, dass sie ihr eingebautes Selbstmordprogramm aktiviert. Doch wie kommen die Granzyme in die Zelle?

Diese Frage diskutieren Wissenschaftler seit mehr als zwanzig Jahren. Zwei Wege, über die Granzyme in eine Zelle gelangen können, wurden dabei diskutiert: über Poren oder über einen Membrantransport. Das Molekül Perforin hinterlässt kleine Löcher in der Zellmembran. Da es von T- und Killer-Zellen zeitgleich mit den Granzymen abgegeben wird, könnten sich hiermit Türen für Granzyme öffnen. Granzyme binden aber auch an die Oberfläche der attackierten Zellen und werden dann über kleine Membraneinschnürungen in das Zellinnere transportiert. Da die Perforin-Löcher in der Zellmembran recht klein sind und von der attackierten Zelle schnell wieder geschlossen werden, favorisierten die meisten Wissenschaftler den Membrantransport als Hauptzugang für Granzyme in eine Zelle.

Die Frage, welcher Weg die tödliche Menge Granzyme in eine Zelle bringt, ist nicht trivial. Mit diesem Wissen könnten neue Therapien zur Virus- und Krebsbekämpfung entwickelt werden. Nach zwanzig Jahren scheinen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie diese Frage nun geklärt zu haben: Entgegen der gängigen Meinung sind offenbar tatsächlich die Membranlöcher die Haupteintrittspforte für Granzyme. Den Beweis erbrachten die Wissenschaftler mit künstlich veränderten Granzymen, die nicht mehr an Membranen binden und somit nicht via Membrantransport in die Zelle gelangen können. "Interessanterweise war trotz dieser Einschränkung keine verminderte Effektivität der Angriffszellen festzustellen", erklärt Dieter Jenne. "Wir konnten außerdem zeigen, dass die Poren groß genug sind, um genügend Granzyme in die Zelle zu lassen, bevor diese die Löcher wieder abdichten kann."

"Das spannende an diesen Ergebnissen ist aber nicht nur, dass eine alte Frage nun endlich geklärt ist", sagt Florian Kurschus, "sondern dass unsere Granzym-Varianten zusammen mit dem Wissen, dass die Membranlöcher der wichtigste Zugang zur Zelle sind, verbesserte Therapiemöglichkeiten zur Virus- und Krebsbekämpfung bieten." Denn künstlich zugegebene Granzyme schädigen in hoher Dosis auch gesunde Zellen, in die sie über Membrantransport eindringen. Die neuen Granzym-Varianten reichern sich nicht in gesunden Zellen an, da sie nur den durch T- oder Killer-Zellen mittels Perforin eröffneten Weg nutzen können.

Originalveröffentlichung: Florian Kurschus et al.; “Granzyme B delivery via perforin is restricted by size, but not by heparan sulfate-dependent endocytosis”; PNAS 2008

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