Bittere Medizin versüßt: Wie man Arzneimittel durch die Darmschleimhaut schmuggelt

Labormodell für das Verdauungssystem erspart Tierversuche

01.09.2008 - Deutschland

Wer krank ist oder sich unwohl fühlt, schluckt am liebsten eine Tablette, die innerhalb kurzer Zeit das Übel behebt. Doch längst nicht alle Wirkstoffe werden gleich gut über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen. Einige Substanzen zersetzen die Verdauungssäfte, andere können die Darmschleimhaut nicht durchdringen, wieder andere werden abgebaut und wirkungslos gemacht bevor sie in den Blutkreislauf gelangen. Weil aber Patienten sich ungern selbst Spritzen setzen oder für eine intravenöse Therapie ins Krankenhaus gehen, besteht ein großes Interesse daran, die Aufnahme von Arzneimitteln über den Magen-Darm-Trakt zu verbessern. Die Frankfurter Pharmazeutin Prof. Jennifer Dressman erhält für ihre Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet den "Distinguished Science Award" der Fédération Internationale Pharmaceutique FIP.

Dass der Körper viele Arzneimittel nicht oder nur unvollständig absorbiert, hat einen guten Grund: Der Darm hat nicht nur die Aufgabe, Nährstoffe zu verdauen, sondern auch potenziell schädliche Substanzen daran zu hindern, in das Gewebe und die Organe einzudringen. Um den Körper zu überlisten, so dass er auch "bittere Pillen" akzeptiert, muss man erst einmal herausfinden, unter welchen Bedingungen der Magen-Darm-Trakt arbeitet.

Dank ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit Gastroenterologen ist es Prof. Dressman gelungen, den Verdauungstrakt vom Magen bis zum Mastdarm zu erkunden. Dabei hat sie Schlüsselfaktoren gefunden, die einen Einfluss darauf haben, wie schnell verschiedene Dosierungen zur Aufnahme des Arzneistoffes führen. Mit diesen Arbeiten haben sie und ihre Mitarbeiter die Grundlagen für ein erstes Modell geschaffen, das Bedingungen für eine optimale Aufnahme von Medikamenten im Magen-Darm-Trakt angibt.

Für die pharmazeutische Prüfung besonders wichtig ist, dass aufgrund des Modells Labortests für Arzneimittel und ihre Dosierung entwickelt werden konnten, mit deren Hilfe man vorhersagen kann, wie effektiv neue Medikamente im Verdauungstrakt aufgenommen werden. Diese sogenannten "biorelevanten" Freisetzungs-Methoden haben die Entwicklung neuer Arzneimittel erheblich verkürzt. Zeit- und kostenintensive Tierexperimente lassen sich auf ein Minimum reduzieren oder können gänzlich entfallen.

Dressmans Arbeiten nutzen aber nicht nur der pharmazeutischen Industrie, sondern könnten auch dafür sorgen, dass Generika für Menschen in Entwicklungsländern schneller verfügbar sind. Für bestimmte Arzneimittel, die im biopharmazeutischen Klassifizierungssystem BCS als unkritisch eingestuft werden, verlangen die Zulassungsbehörden nämlich keine Studien am Menschen. Diese so genannten biowaiverbare Arzneistoffe müssen unter anderem gut löslich sein und die Biomembranen gut durchdringen können. Prof. Dressman hat im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation WHO seit 2002 zahlreiche Richtlinien für die Einstufung von Generika entwickelt und überarbeitet.

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