Wie die Orchidee zu ihrer Lippe kam

Genetiker der Universität Jena klären Mechanismus für die Entstehung von Biodiversität auf

21.02.2008

Sie gelten als die Diven unter den Blütenpflanzen, faszinieren sie doch durch extravagante Blütenformen und leuchtende Farbenpracht - die Orchideen. Obwohl es außerordentlich vielfältige Formen gibt, haben alle Orchideen-Arten eines gemeinsam: "Im Unterschied zu den Blüten relativ naher Verwandter wie Lilien oder Tulpen besitzen Orchideenblüten nur eine einzige Symmetrie-Ebene", erläutert Prof. Dr. Günter Theißen von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. "Diese Spiegelsymmetrie trägt entscheidend zum charakteristischen Aussehen der Orchideenblüte bei", macht der Inhaber des Lehrstuhls für Genetik deutlich.

Theißen und seine Mitarbeiterin Dr. Mariana Mondragón-Palomino haben jetzt eine entscheidende Teilantwort auf die Frage gefunden, wie die Orchideen zu ihren spiegelsymmetrischen Blüten gekommen sind. In "Trends in Plant Science" veröffentlichen die Genetiker der Jenaer Universität eine durch molekulargenetische Daten begründete Hypothese, wie das "Orchideen-Prinzip" in der Evolution entstanden sein könnte.

Anders als Tulpen oder Lilien, die sechs identische Blütenkronenblätter haben, besitzen Orchideen unterschiedlich aussehende Blütenblätter. "Neben drei 'Kelchblättern' verfügen sie über zwei ,Kronblätter' und eine ,Lippe'", so Mondragón-Palomino. Die aus Mexiko stammende Mitarbeiterin forscht seit 2006 im Rahmen eines von der VolkswagenStiftung geförderten Projekts in Theißens Labor und untersucht die Blütenentwicklung von Orchideen molekulargenetisch.

Die morphologischen Unterschiede der Blütenorgane der Orchideen haben ihren Ursprung auf genetischer Ebene. Während bei nahen Verwandten der Orchideen ein Gen, welches die Entwicklung aller sechs Blütenkronenblätter kontrolliert, in einer einfachen Kopie vorliegt, bestimmen das Aussehen der Orchideenblütenorgane vier verschiedene Kontrollgene dieses Typs. So sind zur Entwicklung der Kelchblätter zwei Kontrollgene angeschaltet, bei den Kronblättern drei und zur Ausbildung der Lippe sind alle vier "Genschalter" aktiv. "Dieses Prinzip konnten wir bei einer Reihe sehr unterschiedlicher Orchideenarten nachweisen, so dass es sich sehr wahrscheinlich um ein allgemeines Prinzip handelt", so Prof. Theißen. Auch wie die Orchideen-spezifischen Kontrollgene im Laufe der Evolution entstanden sind, haben die Genetiker der Jenaer Uni herausgefunden. "Diese haben sich bei den Orchideen zwei Mal verdoppelt", erläutert Theißen. Anschließend spezialisierten sich die ehemals identischen Gene und übernahmen neue Funktionen.

Dieses Prinzip der Gen-Verdopplung und anschließenden Spezialisierung ist jedoch nicht nur bei Orchideen zu finden. "Vielmehr handelt es sich dabei um ein weit verbreitetes Prinzip, nach dem evolutionäre Neuheiten - und in der Folge - Biodiversität und Artenreichtum entstehen können", macht Prof. Theißen deutlich. Die Orchideen hat diese Strategie - mit möglicherweise weit über 30.000 Arten - zu einer überaus erfolgreichen Gruppe von Pflanzen werden lassen.

Als nächstes wollen die Jenaer Genetiker prüfen, ob ihre Hypothese sich auch bei besonders ursprünglichen Orchideen bewährt, die noch nicht untersucht werden konnten, weil sie sehr selten und schwer zu beschaffen sind.

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