Großes Wachstumspotential für Einwegprodukte aus Kunststoff in der Chirurgie

23.11.2007

Während bei der chirurgischen Behandlung in Europäischen Krankenhäusern Instrumente aus Metall noch dominieren, sind Instrumente aus Kunststoff hier derzeit auf dem Vormarsch. In der Medizintechnik insgesamt sind heute bereits 50% aller eingesetzten Materialien aus Kunststoff. Die größten Einsatzgebiete sind Hygienezubehör (20%), Spritzen und Katheter (20%) und Verbandsmaterialien (14%). Laut Expertenmeinung wird der Kunststoffanteil in der Medizintechnik noch weiter steigen. Vor allem der Einsatz von Hochleistungspolymeren wird in den nächsten Jahren mit 8% überdurchschnittlich anwachsen, so die Schätzungen. Die Gründe resultieren aus den erhöhten Anforderungen an medizinische Produkte und die zunehmende Benutzung von Einwegprodukten. Die erhöhten Anforderungen ergeben sich v.a. aus neuen verschärften medizinisch-rechtlichen Bestimmungen. Momentan wären nur rund 16% der deutschen Spritzgießer (Schweiz: 28%) in der Lage dieses spezialisierte Know-how und eine Produktion im Reinraum anzubieten. Nur diese Firmen wären geeignet, chirurgische Instrumente aus Kunststoff herzustellen.

Es gibt gewichtige Gründe für den Einsatz von Einwegprodukten aus Kunststoff in der Chirurgie. Neben den Vorteilen der verbesserten Röntgentauglichkeit, des geringen Gewichts und des erheblich niedrigeren Anschaffungspreises sprechen vor allem die leichtere Handhabung, die Möglichkeit der Verarbeitung neuer Hochleistungspolymere und der durch den Einsatz von Einwegprodukten erhöhte Infektionsschutz für deren Verwendung. Kunststoff besitzt gegenüber Metall zudem den Vorteil, dass man durch den Einsatz von Zusatzstoffen die Sichtbarkeit eines chirurgischen Instrumentes auf dem Röntgenbild stufenlos von unsichtbar bis sichtbar variieren kann. Dies könnte es zum Beispiel ermöglichen, dass Patienten während einer Thoraxoperation mit angebrachten chirurgischen Instrumenten geröntgt werden. Des Weiteren müssen herkömmliche Metallinstrumente nach jedem Einsatz gereinigt, gewaschen, verpackt und sterilisiert werden. Diese Prozessschritte sind enorm Zeit-, und Kostenintensiv und zudem sehr fehleranfällig. Bei Einwegprodukten entfallen diese aufwendigen und teilweise unzuverlässigen Prozesse jedoch vollständig.

Das Argument, dass Kunststoff den Belastungen in der Chirurgie nicht standhalten kann, ist laut Experten in vielen Fällen nicht mehr gegeben. Durch die Vermischung verschiedenster Komponenten können moderne Hochleistungspolymere, wie zum Beispiel PEEK, bei entsprechender Gestaltung der Produkte eine dem Stahl vergleichbare Stabilität erreichen. Hochleistungspolymere verhalten sich bei Behandlungen mit Chemikalien, Hitze und UV-Licht den Metallen ebenfalls ähnlich. All dies spricht daher sehr für eine Verbreiterung des Einsatzgebietes von Kunststoffen in der Medizintechnik.

Laut einer Novumed Umfrage schätzen medizinische Experten die Möglichkeit der Verwendung chirurgischer Kunststoffinstrumente als überwiegend attraktiv ein. Aus Sicht dieser Experten kann die Handhabung der Instrumente durch Einwegprodukte verbessert werden. Vor allem "schwer zu reinigende und aufzubereitende Instrumente werden in naher Zukunft durch Einwegprodukte ersetzt werden" (Aussage diverser Chirurgen). Leider sind die "aktuellen Kunststoffinstrumente noch von schlechter Qualität. In diesem Bereich besteht daher noch sehr viel Potential", so die Meinung einiger Hersteller von Metallinstrumenten.

In der Chirurgie ist der Schutz des Patienten vor Infektionen bei weitem der wichtigste Grund, der für den Einsatz von Einwegprodukten spricht. Umso erschreckender ist gemäß einer WHO Studie, dass der Anteil an Erst-, bzw. Folgeinfektionen von Patienten, die durch Krankenhausaufhalte entstehen, in Europa bei stolzen 7,7% liegt (Süd-Ost Asien: 10%). Dies entspricht einer Summe von 3.000.000 Patienten pro Jahr. Zudem sterben in Europa ca. 50.000 Menschen pro Jahr and einer solchen, in Folge eines Krankenhausaufenthaltes verursachten Infektion.

17% dieser Infektionen entstehen bei operativen Eingriffen während des Aufenthaltes. In derselben Studie schätzt die WHO, dass 30% der Infektionen, die den Krankenhausaufenthalt durchschnittlich um 8,2 Tage verlängern, durch bessere Hygiene (z.B. Einsatz von Einwegprodukte) vermeidbar gewesen wären.

Ein besonderes Problem stellt laut Experten der Umgang mit der Creutzfeldt-Jakob Erkrankung dar. Bei dieser Infektionskrankheit ist die Übertragungsgefahr durch chirurgische Instrumente besonders hoch. Dies liegt daran, dass heutzutage in Krankenhäusern Desinfektionstechniken verwendet werden, bei denen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass Prionen während des Reinigungsprozesses vollständig unschädlich gemacht werden. In der Publikation "Prions, a challenge for science, medicine and public health system" empfehlen mehrere Autoren das Benutzen von Einwegprodukten, v.a. bei zerebralen Eingriffen, um dadurch die Übertragung von Krankheiten zu verhindern. So meldeten während der englischen BSE-Krise auch die meisten Tuttlinger Metall-Instrumentenhersteller einen kompletten Ausverkauf ihrer Waren, da während dieser Zeit auch Metallinstrumente aus Sicherheitsgründen nur einmal verwendet wurden. Dieses Beispiel illustriert auf anschauliche Weise die enorme Bedeutung des Themas Infektionsschutz, und unterstreicht das große Potential der Anwendung von Kunststoffen in der Medizintechnik.

Trotz dem derzeit noch geringen Angebot an chirurgischen Instrumenten aus Hochleistungspolymeren und dem noch geringen Druck durch die Patienten, erwarten Experten jedoch eine starke Zunahme von Einwegprodukten. Im speziellen Fall neurochirurgischer Eingriffe ist aufgrund der Gefahr einer Übertragung von Prionen gar konkreter Handlungsbedarf gegeben.

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