Die Wächter der Chromosomen-Aufteilung
Eine zentrale Rolle bei der richtigen Aufteilung der Chromosomen spielt der so genannte "Chromosomale Passenger Complex" (CPC). Dieser Protein-Komplex bindet bei der Zellteilung zunächst an den zentralen Ankerpunkt (Centrosom) der Chromosomen und später an die zentralen Spindelfasern, welche die Chromosomen bei der Aufteilung auf die Tochterzellen auseinander ziehen. Bisher war bekannt, dass der Wächter der Zellteilung aus vier Komponenten besteht - INCENP, Survivin, Borealin und Aurora A -, die nur gemeinsam zum Erfolg der korrekten Chromosomen-Aufteilung führen. Um die Kooperation dieser Komponenten zu verstehen und detaillierter untersuchen zu können, muss ihre Molekül-Struktur betrachtet werden. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Biochemie und des "European Molecular Biology Laboratory" (EMBL) ist es jetzt gelungen, die zentralen Strukturen der Untereinheiten des Chromosomen-Transporters aufzuklären.
Die Struktur- und Zellbiologen zeigen, welche Molekül-Abschnitte notwendig sind, damit der Transport-Service der Chromosomen funktioniert und die Zellteilung korrekt abläuft. Mit der Kristallisation und Röntgenstruktur-Analyse des CPC aus Bakterien E. coli konnte Arockia Jeyaprakash am EMBL die Struktur aufklären. Der Zellbiologe Ulf Klein erzeugte anschließend Mutanten in Hefezellen und menschlichen HeLa-Zellen, bei denen Teile der für CPC verantwortlichen Gene ausgeschaltet wurden. Damit konnte er exakte Aussagen machen, welche Aminosäuren für die Funktion des CPC und damit für die korrekte Zellteilung unbedingt notwendig sind.
Für die Erforschung der Zellteilung ist die Arbeit von Jeyaprakash und Klein ein wesentlicher Beitrag, um die Feinregulation der Chromosomen-Aufteilung bei der Zellteilung (Mitose) zu verstehen. So konnten sie die bisherige Lehrmeinung widerlegen, dass die vier Proteine INCENP, Survivin, Borealin und Aurora B selbstständige Regulatoren der Zellteilung sind. Die vier Proteine bilden eine Einheit, bei der helikale Teilbereiche der Passenger-Proteine sehr eng miteinander verbunden sind und mehrere Kontaktstellen zwischen den Aminosäuren bestehen. "Wir waren sehr über die enge Verzahnung der Kooperationspartner des 'Chromosomalen Passenger Complexes' überrascht. Wir verstehen jetzt, dass durch das Fehlen eines Partners die gesamte Struktur nicht mehr aufrecht erhalten werden kann und damit die Bindung des CPC an die Mitose-Spindel unmöglich wird", sagt Ulf Klein, der die Studie im Rahmen seiner Doktorarbeit durchführte.
Die Wissenschaftler fanden darüber hinaus heraus, dass Survivin, das in der separaten Kristallstruktur des Komplexes ein Doppel-Molekül (Dimer) ist, im gesamten chromosomalen Komplex nur als einfaches Molekül vorkommt und das zweite Passenger-Protein Borealin stattdessen in einer Art Mimikry an das vorhandene Einzelmolekül bindet. Hier können die Martinsrieder und Heidelberger Wissenschaftler die Diskussion um die Rolle von Survivin ebenfalls beilegen. Bisher hatten Studien zur Funktion von Survivin gezeigt, dass es unbedingt im Zytoplasma der Zellen als Dimer (Doppelmolekül) vorhanden sein muss, um dem Zelltod (Apoptose) entgegenzuwirken. Jeyaprakesh konnte jetzt zeigen, dass es als Monomer (Einzelmolekül) ein wichtiger Regulator der Zellteilung ist und deshalb auch ein geeignetes Zielmolekül für Krebstherapeutika.
Der "Chromosomale Passenger Complex" wandert während der Zellteilung von den so genannten Centromeren, den Einschnürungsstellen der Chromosomen, zu den Spindelfasern und trägt so zur Separation der Chromosomen bei. Die jetzt bekannte Struktur eröffnet der Zellteilungs-Forschung die Möglichkeit, die Kooperation mit weiteren Bindungspartnern noch detaillierter zu verstehen.
Da Fehler der Chromosomen-Aufteilung während der Zytokinese häufig auch Ursachen für verschiedene Krebsformen sind, ist die Kenntnis der Struktur des zentralen Regulators natürlich auch wesentlich für die Entwicklung von Therapeutika, die die Teilung von Tumorzellen hemmen bzw. deren Zelltod wieder aktivieren können.