Die Entstehung des Orientierungssinns
Wissenschaftler aus Berlin zeigen in einem theoretischen Modell, wie eine Landkarte im Gehirn entsteht
Das Modell der Berliner Forscher analysiert realistische Bilddaten, die den visuellen Eindruck einer Ratte bei ihrem Gang durch den Käfig wiedergeben. Der Kern ihres Modells ist ein mathematischer Algorithmus namens "Slow Feature Analysis", der die für die Orientierung relevante Information aus den Bilddaten extrahiert. Mit Hilfe dieses Algorithmus lässt das Modell Ortszellen und Kopfrichtungszellen entstehen - ohne dass dies eine Vorgabe des Modells gewesen wäre.
Jeder Rezeptor im Auge erfasst nur einen sehr kleinen Ausschnitt des visuellen Gesamtbildes. Lenken wir die Blickrichtung beispielsweise nur ein wenig nach links, wird jeder einzelne Rezeptor eine ganz andere Information weitergeben als vorher. Während die Sensoren ständig wechselnde Daten liefern, verändern sich die für die Orientierung relevanten Informationen sehr viel langsamer - der Gesamtbildeindruck in diesem Beispiel bleibt fast konstant. Merkmale, die sich nur langsam verändern, können mit Hilfe der Slow Feature Analysis aus den Bilddaten gewonnen werden.
Mit ihrem Modell konnten die Wissenschaftler zeigen, dass mit der Slow Feature Analysis aus der zeitlichen Folge von visuellen Eindrücken, die die Ratte bei ihren Erkundungsgängen erhält, eine Art kognitive Landkarte im Gehirn entstehen kann. Positionen werden in dieser Karte durch Ortszellen und Himmelsrichtungen durch Kopfrichtungszellen wiedergegeben. Erst nach diesem Lernprozess können völlig unterschiedliche visuelle Eindrücke die gleichen Orts- oder Kopfrichtungszellen aktivieren - sitzt die Ratte beispielsweise in der nördlichen Ecke ihres Käfigs, sind die gleichen Ortszellen aktiv, egal ob sie nach Osten oder Westen schaut.
Originalveröffentlichung: Mathias Franzius, Henning Sprekeler und Laurenz Wiskott; "Slowness and sparseness lead to place, head direction and spacial view cells."; PloS Computational Biology 2007.
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