Neuronen aus anderem Zelltyp erzeugt
Hoffnung auf Therapie bei Gehirnverletzungen
Fast neunzig Prozent der Zellen im Gehirn sind so genannte Gliazellen, vor allem die sternförmigen Astroglia. Das griechische Wort "Glia" bedeutet nichts anderes als "Kitt" oder "Leim", und eben diese Funktion wurde den Zellen auch zugeschrieben: Sie sollten die Neuronen stützen, unterstützen und zusammenhalten. Lange verkannt, begann sich die Forschung erst spät für diesen Zelltyp zu interessieren. Mit überraschendem Ergebnis: So konnte Magdalena Götz nachweisen, dass sich Gliazellen während der Entwicklung des Gehirns in Neuronen umwandeln können. "Damit agieren sie als Stammzellen, haben also das Potential, andere Zelltypen zu bilden", so Magdalena Götz. "Diese Fähigkeit geht aber in späteren Entwicklungsstadien verloren, so dass Gliazellen selbst nach Verletzungen im erwachsenen Gehirn nicht mehr zu Neuronen werden können." Bislang war es nicht möglich, die Differenzierung der Gliazellen gezielt anzuregen.
Das aber wäre die Voraussetzung einer Therapie. Um die Entwicklung der Gliazellen zu Stammzellen auch umkehren zu können, untersucht das Team von Magdalena Götz seit einigen Jahren, welche molekularen Schalter für die Bildung von Nervenzellen aus Gliazellen während der Entwicklung des Gehirns wesentlich sind. Diese Regulatorproteine wurden dann in Gliazellen aus einem älteren Gehirn, also nach der embryonalen Entwicklung, eingebracht. Sie haben daraufhin tatsächlich neuronale Proteine angeschaltet. "Wir konnten zeigen, dass einzelne dieser Regulatorproteine ausreichen, um aus Gliazellen wieder funktionelle Nervenzellen zu erzeugen", berichtet Berninger. "Den über mehrere Tage verlaufenden Übergang von der Gliazelle zum Neuron haben wir sogar live in Zeitrafferaufnahmen verfolgt und auch ihre Funktionsfähigkeit nachweisen können." Damit konnte zum ersten Mal bewiesen werden, das Neuronen, die von reprogrammierten Gliazellen abstammen, physiologisch weitgehend mit funktionierenden Nervenzellen übereinstimmen.
Originalveröffentlichung: Benedikt Berninger, Marcos R. Costa, Ursula Koch, Timm Schroeder, Bernd Sutor, Benedikt Grothe, and Magdalena Götz; ""Functional Properties of Neurons Derived from In Vitro Reprogrammed Postnatal Astroglia"; Journal of Neuroscience 2007, 27: 8654-8664.
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