Neuer Mechanismus entdeckt, der die Entwicklung von Stammzellen mitsteuert

Verstärkung für Schlüsselprotein Protein Oct4

23.07.2007

Der Grad ist schmal für die Multitalente unter den Zellen: Stammzellen können sich zu verschiedensten Gewebezellen entwickeln - aber auch zu Tumoren. Wie sich pluripotente Stammzellen entwickeln ist jedoch keine Laune des Schicksals, sondern wird maßgeblich durch das Protein Oct4 beeinflusst. Ist seine Konzentration in der vielseitigen Stammzelle um die Hälfte erhöht, wandelt sich das Multitalent in krankes Gewebe. Eine weitere Erhöhung auf das Doppelte der Ausgangskonzentration ist dann allerdings das reguläre biochemische Startsignal, damit sich die Stammzelle weiterentwickelt und Schritt für Schritt einen neuen Embryo formt. Dabei gibt es chemische Prozesse, die Oct4 verändern und damit seine Aktivität beeinflussen. "Dadurch wird letztendlich auch die Entwicklung von Stammzellen mitgesteuert", sagt Hans Schöler. Der Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin hat in Kooperation mit seinen ehemaligen Kollegen von der University of Pennsylvania einen neuen Mechanismus gefunden. "Wir haben entdeckt, dass ein kleines Protein an Oct4 andockt und somit dessen Lebenszeit verlängert sowie seine Aktivität verbessert", so Schöler.

Das Protein Oct4 bindet unter anderem an den Promoter, den Startbereich bestimmter Gene. Es aktiviert auf diese Weise die Transkription, also das Ablesen der Gene und ihre Umsetzung in Proteine. Oct4 kann auf diese Weise sowohl Gene aktivieren, die dafür sorgen, dass die Zelle pluripotent bleibt, aber auch solche unterdrücken, die eine Zellentwicklung einleiten. Die Wissenschaftler nahmen an, dass Oct4 unterschiedlich wirkt, weil es im Zuge der Bindung an die Gene chemisch verändert wird. Die Bindung kleiner Moleküle an das Protein führt zu solchen chemischen Veränderungen.

Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass so genannte SUMO-Proteine besonders gern an Transkriptionsfaktoren binden und damit deren Funktion verändern. SUMO ist abgeleitet aus dem Englischen von small ubiquitin-related modifier und bezeichnet - entgegen der Assoziation die SUMO auslöst - einen kleinen, allgegenwärtigen Wandler.

"In unseren Versuchen konnten wir nun zeigen, dass SUMO-1, eins der vier Mitglieder der SUMO-Familie, sich an Oct4 bindet und dadurch dessen Lebenszeit verlängert", erklärt Schöler: "Dafür haben wir Oct4 und SUMO-1 in künstliche wie auch lebende Zellen eingeschleust und konnten anschließend unter dem Mikroskop mit Hilfe fluoreszierender Antikörper nachweisen, dass die Moleküle miteinander verbunden waren." Im Ausschlussverfahren ermittelten die Forscher dann, welche Andockstelle von SUMO-1 genutzt wird. Sie deaktivierten gezielt potenzielle Andockstellen vom Oct4 und konnten so die Aminosäure Lysin an der Position 118 im Protein als Ankerstelle ausmachen.

Da diese Ankerstelle für SUMO-1 direkt neben der DNA-Bindungsstelle von Oct4 liegt, haben die Wissenschaftler auch untersucht, wie der Verbund beider Proteine an die DNA bindet. "Das Ergebnis hat uns sehr überrascht: der Molekülverbund hat sich effektiver an die Ziel-DNA gekettet als reines Oct4", so Schöler. Damit drängte sich die Frage auf, ob dadurch auch die Funktion von Oct4 beeinflusst wird. "Wir haben entdeckt, dass Oct4 im Verbund mit SUMO-1 besser die Transkription auf vielen Promoter-Bereichen steuern kann", sagt Schöler.

Aber SUMO-1 verbessert nicht nur die Wirkung, es verlängert auch die Lebenszeit von Oct4: nach 16 Stunden lagen viermal mehr verbundene Moleküle vor als ungebundene Oct4 Moleküle. Anders ausgedrückt: Durch seine Bindung an Oct4 reguliert SUMO die Menge des Proteins in der Zelle. Da diese entscheidet, ob sich Stammzellen regulär differenzieren oder aber zum Tumor entarten, "können diese Erkenntnisse möglicherweise helfen Therapien für Tumore zu entwickeln, deren Ursache eine zu hohe Oct4-Konzentration ist", so Schöler.

Originalveröffentlichung: Fang Wei, Hans R. Schöler, and Michael L. Atchison; "Sumoylation of Oct4 Enhances Its Stability, DNA Binding, and Transactivation"; Journal of Biological Chemistry, 20. Juli 2007.

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