Hautzellen lassen sich zu Stammzellen rückprogrammieren
(dpa) Drei Forscherteams haben Hautzellen von Mäusen genetisch so umprogrammiert, dass sie embryonalen Stammzellen gleichen. Bewähre sich die Methode in weiteren Versuchen, sei dies eine Alternative zu der ethisch umstrittenen Nutzung embryonaler Stammzellen für die Therapie von Krankheiten, schreiben die Forscher aus den USA und Japan. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) begrüßte in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» die «hochinteressante Entwicklung» und kündigte an, dass die Bundesregierung noch vor der Sommerpause fünf Millionen Euro für ähnliche Forschungsarbeiten in Deutschland zur Verfügung stellen werde.
Die Gewinnung embryonaler Stammzellen ist in Deutschland verboten, weil dafür Embryonen zerstört werden müssten. Schavan kündigte an, die Regierungsfraktionen von SPD und Union würden sich nach der Sommerpause mit möglichen Lockerungen des deutschen Stammzellgesetzes befassen.
Der deutschstämmige Mitautor Rudolf Jaenisch vom Whitehead Institute for Biomedical Research & MIT in Cambridge (US-Staat Massachusetts) erklärte in einem Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», es habe ihn selbst sehr erstaunt, dass er und sein Team normale Körperzellen ohne den Umweg über eine Eizelle in embryonale Stammzellen zurückverwandeln konnten. «Wir bekommen mit nahezu hundertprozentiger Sicherheit reprogrammierte Zellen.» Er sorge sich nun aber, dass die Ergebnisse «politisch missbraucht» würden, um die laufende Forschung zu diskreditieren. «Das wäre fatal», warnte er.
Ohnehin müsse nun erst gezeigt werden, ob die Methode auch bei menschlichen Zellen funktioniere. Bis die Übertragung in die klinische Praxis anstehe, werde noch viel Zeit vergehen. «Wir haben mit Zellen gearbeitet, die hochgradig genetisch verändert waren. Niemand würde auf die Idee kommen, Zuchtgewebe aus solchen Zellen einem Menschen einzuspritzen.»
Die Forscher hatten bei Mäusen die so genannten Fibroblasten in der Haut umprogrammiert. Dazu brachten sie vier zusätzliche Gene in die erwachsenen Zellen ein, die eine «Verjüngung» der zellulären Strukturen auslösen. Anschließend suchten sie diejenigen Zellen heraus, die bestimmte Merkmale für Pluripotenz aufwiesen.
Die so gewonnenen Zellen wiesen eine gleichartige genetische Aktivität wie embryonale Stammzellen auf, schreiben die Forscher. Auch andere typische Merkmale hätten übereingestimmt. Die Gruppe um Yamanaka hatte bereits im vergangenen Jahr derartige Zellen aus erwachsenen Fibroblasten hergestellt, bei ihnen waren die Ähnlichkeiten zu embryonalen Stammzellen allerdings weniger stark. Den Forschern gelang es den Berichten zufolge anschließend auch, die «verjüngten» Zellen in Mäusen heranwachsen zu lassen. Die «künstlichen Stammzellen» reiften dabei nachweislich zu verschiedenen Zelltypen heran.
Wenn sich diese Methode beim auch Menschen funktioniere, würde ein kleines Hautstück des jeweiligen Patienten genügen, um diesen gezielt behandeln zu können, schreiben Konrad Hochedlinger vom Harvard Stem Cell Institute (Massachusetts) und Kathrin Plath von der UCLA School of Medicine in Los Angeles (Kalifornien), Mitautoren der US-Studie in «Cell Stem Cell». Mediziner hoffen, künftig Leiden wie Querschnittlähmungen oder Parkinson mit Hilfe von Stammzellen heilen zu können.
Prof. Hans Schöler, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster forderte, die Forschung an embryonalen Stammzellen nun auch in Deutschland erleichtert werden. Es würden zunächst neue Zellen aus menschlichen Embryonen benötigt, um die Forschung voranzutreiben und neue Behandlungsmethoden zu entwickeln, sagte er in einem Interview in der Lokalzeit Münsterland im WDR-Fernsehen. Das Bestreben sei es, auf Grund der zu erwartenden Ergebnisse langfristig ganz auf die Nutzung menschlicher Embryonalzellen zu verzichten.