Ein Fall von Zell-Spionage

Göttinger Max-Planck-Forscher beobachten mit einem neuen Verfahren, wie komplexe Proteine in lebenden Zellen kommunizieren

24.11.2006

Ohne Richtmikrofon und Revolver, aber mit Methoden der Spionage erkunden Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für experimentelle Medizin in Göttingen und der Axaron Bioscience AG in Heidelberg die Informationswege in der Zelle. Mit Hilfe von Spähermolekülen übersetzen die Forscher die Interaktionen löslicher Proteine und komplexer Membranproteine in Lichtsignale, die leicht zu detektieren sind. Auf diese Weise können sie auch in bisher experimentell schwer zugänglich Zellen, etwa Neuronen oder Gliazellen, untersuchen, welche Proteine wann miteinander kommunizieren. Mit dem Verfahren lassen sich Krankheiten erforschen, die unter anderem durch fehlgeleitete Informationen in Zellen ausgelöst werden, wie beispielsweise Krebs oder neurodegenerative Erkrankungen.

Häufig teilen Nachrichtenmoleküle Zellen ihre Aufgaben mit - beispielsweise sich zu teilen oder bestimmte Enzyme zu produzieren. Membranproteine an der Außenseite der Zelle empfangen diese Aufträge, lösliche Proteine leiten sie im Zellinneren weiter. Ist die Kommunikation in der Zelle oder zwischen Zellen gestört, können unter Umständen Krebs oder neurodegenerative Erkrankungen entstehen. Die Therapie dieser Krankheiten würde leichter, wenn Mediziner mehr über diese Informationswege wüssten. Ein Wissenschaftlerteam vom Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen und der Axaron Bioscience AG in Heidelberg hat nun eine neue Methode namens Split-TEV entwickelt, um die Stillepost von Protein zu Protein abzuhören. Das Verfahren vereinfacht es enorm, die Interaktion sowohl von löslichen Proteinen als auch von komplexen Membranproteinen zu untersuchen.

Insbesondere die Membranproteine waren bisher nur sehr eingeschränkt zu analysieren. Sie sind besonders interessant, weil an ihnen viele wichtige Nachrichtenkaskaden beginnen und potenzielle Pharmazeutika besonders gut angreifen können. Die sehr empfindliche Methode eignet sich auch, um Zellen zu analysieren, die direkt aus lebendem Gewebe entnommen wurden. Diese sogenannten Primärzellen sind zwar aufwändiger zu handhaben als Zellen, die extra für die Forschung im Labor gezüchtet wurden. Sie stellen aber auch ein weitaus aussagekräftigeres biologisches System dar. Im Gegensatz zu früheren Methoden lassen sich mit der Split-TEV-Technik überdies in automatisierten Analyseverfahren (high-throughput screenings) viele der zahlreichen Proteine und externen Faktoren gleichzeitig testen, die an den Nachrichtenkaskaden in der Zelle beteiligt sind.

Die Forscher greifen bei ihren Untersuchungen auf Tricks der Spionagetechnik zurück: Sie schleusen zwei Spähermoleküle in die Zelle ein. Die beiden Moleküle bilden zusammen ein Enzym des Tabakvirus TEV, das erst aktiv wird, wenn die beiden Teile einander nahe kommen. Die Enzymhälften heften sich nun an zwei zuvor bestimmte Zielproteine. Sobald diese sich treffen, nähern sich auch ihre Späheranhängsel und werden dadurch zu einem funktionsfähigen Enzym. Das vollständige Enzym aktiviert anschließend ein weiteres Protein - ein fluoreszierendes Reportermolekül, das bis jetzt an einem der Agentenmoleküle hing, nun aber abgestoßen wird. Dabei fängt es an zu leuchten und signalisiert den Forschern so: Die Proteine reden miteinander!

Bei einer Variante des Verfahrens leuchtet das Reportermolekül nicht selber. Stattdessen wandert es in den Zellkern und aktiviert ein Gen, das ein fluoreszierendes Molekül kodiert. Die Forscher müssen dieses extra zu diesem Zweck schon vorher in die DNA eingebaut haben. Bei dieser Version gibt das Reportermolekül also nur indirekt ein Signal ab, weil das produzierte Fluoreszenzmolekül leuchtet. Dieses transkriptionsabhängige Verfahren, ist zwar etwas aufwändiger als das direkte, dafür aber erheblich empfindlicher. Es wandelt selbst vorübergehende, kurze Interaktionen in ein andauerndes, deutliches Signal um.

Die Wissenschaftler setzten viele verschiedene fluoreszierende und lumineszierende Reportermoleküle beziehungsweise Gene für zahlreiche Leuchtproteine ein. So können Forscher das Split-TEV-Verfahren sehr flexibel an die vorhandene Analysetechnik und das jeweils untersuchte Proteinsystem anpassen. "Außerdem stehen die für die Aufnahme und Analyse der Lichtsignale benötigten Geräte in den meisten Laboren ohnehin zur Verfügung - ein großer Kostenvorteil für das Verfahren", sagt Moritz Rossner, der Projektleiter.

Seine Arbeitsgruppe will sich vor allem auf die Interaktionen von Neuronen und Gliazellen konzentrieren. Denn mit der Split-TEV Technik ist nun auch die intra- und interzelluläre Kommunikation dieser experimentell schwer zugänglichen Zelltypen gut zu untersuchen. "Außerdem wollen wir das System in Zukunft so weiterentwickeln, dass wir ausgedehnte Netze miteinander kommunizierender Proteine analysieren können", sagt Moritz Rossner.

Originalveröffentlichung: Michael C. Wehr, Rico Laage, Ulrike Bolz, Tobias M. Fischer, Sylvia Grünewald, Sigrid Scheek, Alfred Bach, Klaus-Armin Nave & Moritz J. Rossner; "Monitoring regulated protein-protein interactions using split TEV"; Nature Methods 2006.

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