Molekulare Anstandsdamen bieten Schutz vor Fehlfaltung
1993 entdeckten Forscher das Gen, das für das Protein Huntingtin kodiert. Dieses Protein löst die Krankheit Chorea Huntington aus. Es setzt sich in den Zellkernen von Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn ab. 1997 konnte Prof. Erich Wanker (damals Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin, jetzt Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, MDC, Berlin-Buch) zeigen, dass diese Ablagerungen oder Aggregate aus fehlgefalteten Huntingtin-Molekülen bestehen. In den Eiweißfabriken der Nervenzellen Betroffener werden zuviele Glutamin-Bausteine in die Aminosäuresequenz des Huntingtin eingefügt. Durch die dadurch entstehenden überlangen Polyglutaminketten verliert das Eiweiß seine normale Struktur und kann nicht mehr abgebaut werden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Eiweißklumpen die Nervenzellen vergiften.
Auch hier ist unklar, wie die Verklumpungen die Nervenzellen zur Fehlfunktion und schließlich zum Untergang bringen. Es gibt dafür verschiedene Hypothesen. "Möglicherweise, so Prof. Hartl, ziehen die überlangen Polyglutaminketten andere wichtige Proteine mit kurzen Polyglutaminketten in die Aggregat-Ablagerungen hinein." Eine andere Vorstellung ist, dass die überlangen Polyglutaminketten die Arbeit der zellulären "Müllabfuhr", der Proteasome, behindert und die schädlichen Eiweiße deshalb nicht abgebaut werden können.
Die Hitzeschockproteine sind, so Prof. Hartl, in der Lage die Proteinverklumpung zu verhindern, wodurch sie auch weniger giftig für die Nervenzellen sind. Die TriC-Familien wirken mit den Hitzeproteinen zusammen. Beide Familien von Anstandsdamen sorgen dafür, dass das falsch gefaltete Protein löslich bleibt und nicht verklumpt. Inwieweit diese Erkenntnisse für die Entwicklung von Therapien gegen neurodegenerative Erkrankungen genutzt werden können, bleibt abzuwarten.
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