Entwicklung des Pharmamarkts in der Russischen Förderation
Russian Federation - Prescription for Growth
Russland hinter China und Indien stärkster Wachstumsmarkt
Die russische Volkswirtschaft ist schnell gewachsen: Im Jahr 2004 stieg das Bruttoinlandsprodukt um 7,2 Prozent. Die Auslandsinvestitionen erreichten mit 9,4 Milliarden US Dollar den höchsten Stand und der Bundeshaushalt erzielte eine Rekordsteigerung von 4,2 Prozent. Das Jahr 2004 stellt bereits das sechste Jahr in Folge dar, das ein Wirtschaftswachstum aufweisen konnte. Die Perspektiven bleiben weiterhin positiv: PwC erwartet für das Jahr 2006 ein Wachstum von 6,0 Prozent, für 2007 weitere 5,5 Prozent. Damit steht Russland prozentual gesehen hinter China und Indien an dritter Stelle der wachstumsstärksten Volkswirtschaften der Welt. Die US-amerikanische Investmentbank Goldman Sachs prophezeit, dass - gemessen am Bruttoinlandsprodukt - Russland im Jahr 2024 Frankreich, 2027 Großbritannien sowie 2028 Deutschland überholen wird. Doch dieser Erfolg täuscht nicht darüber hinweg, dass die Russische Föderation noch eine Vielzahl von Aufgaben auf dem Weg zu einem modernen Industriestaat zu bewältigen hat.
Lebensstandard steigt - Lebenserwartung sinkt
Das Wirtschaftswachstum wirkte sich bislang vorteilhaft auf den Lebensstandard der Bevölkerung aus: Das Durchschnittseinkommen hat sich zwischen 2001 und 2005 verdreifacht, gleichzeitig fiel der Anteil der Bevölkerung, der unter dem Existenzminimum lebt, von 28,9 Prozent auf 17,8 Prozent. Dagegen hat sich der allgemeine Gesundheitszustand seit 1991 signifikant verschlechtert: Die Lebenserwartung ist mit 65 Jahren zehn Jahre niedriger als in vielen anderen entwickelten Ländern. Zurückzuführen ist diese Entwicklung unter anderem auf den weit verbreiteten Nikotin- und Alkoholkonsum sowie eine ungesunde Ernährungs- und bewegungsarme Lebensweise. Krebserkrankungen, Herzkrankheiten, Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Hepatitis C und HIV/AIDS sind auf dem Vormarsch. Goskomstat, der staatliche Statistikdienst, rechnet damit, dass der Bevölkerungsrückgang in den vergangenen 16 Jahren von 147 Millionen auf 137 Millionen Bürger sich bis zum Jahr 2050 auf 80 Millionen fortsetzen könnte.
Gesundheitssystem: Korruption und hoher Anteil der Eigenbeteiligung belasten Patienten
Seit dem Wechsel des politischen Systems bis zum Jahr 2005 sanken die Ausgaben für das öffentliche Gesundheitswesen kontinuierlich: Im Jahr 2004 lag der Anteil der Investitionen in das Gesundheitswesen mit 2,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts nur halb so hoch wie in vielen anderen entwickelten Ländern. In diesem Jahr hat die Regierung die Finanzmittel erstmalig auf 3,6 Milliarden US Dollar erhöht, das entspricht einer Steigerung um 89 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Mehrheit der russischen Patienten greift für medizinische Aufwendungen in die eigene Tasche, da die Regierung weniger als 30 Prozent der Ausgaben für Arzneimittel erstattet. Zudem ist es nicht unüblich, dass Ärzte und medizinisches Personal Bestechungsgelder für eigentlich kostenfreie medizinische Leistungen fordern. Etwa 400 Millionen US Dollar haben russische Patienten im Jahr 2004 für Bestechungen dieser Art ausgegeben, schätzt die INDEM Foundation, eine der führenden Nichtregierungsorganisationen Russlands. Vorschläge der föderalen Regierung zur Reform des Gesundheitssektors müssen noch umgesetzt werden, wie zum Beispiel die Verringerung der Anzahl an Krankenhäusern, die Entlohnung der Ärzte nach Leistung statt Arbeitszeit und die Direktfinanzierung der medizinischen Dienstleistungen. Änderungen im sozialen System haben seit 2005 eine Reihe von Subventionen und Garantien für bestimmte Begünstigtengruppen ersetzt und den regionalen Behörden mehr Verantwortung übertragen.
Generika dominieren mit 78 Prozent den Umsatz an Medikamenten
Seit der Wirtschaftskrise im Jahr 1998 entwickelt der pharmazeutische Markt in Russland eine besondere Dynamik und gehört innerhalb Europas zu den Märkten mit dem schnellsten Wachstum: Der Umsatz hat sich zwischen den Jahren 2000 und 2004 verdreifacht. Für den Zeitraum von 2006 bis 2010 ist mit einem jährlichen Umsatzwachstum von 10 Prozent zu rechnen. Der Hauptanteil liegt hier bei Generika, die 78 Prozent der in Russland registrierten Arzneimittel ausmachen und insbesondere im Krankenhaussektor ihren Absatz erzielen. Die teueren Markenprodukte werden dagegen stärker im Einzelhandel abgesetzt, wo 80 Prozent der Pharmazeutika umgesetzt werden. Nicht verschreibungspflichtige Medikamente (OTC, Over the Counter) haben einen Anteil von 35 Prozent am gesamten pharmazeutischen Umsatz. Mehr als 60 Prozent aller in Russland verbrauchten Arzneimittel im Jahr 2004 sind importierte Produkte - größtenteils aus Westeuropa, den USA, Kanada und Japan.
Besonders stark ist die Nachfrage nach neuen Therapien gegen chronische und stressbedingte Krankheiten. Behandlungen gegen Bluthochdruck und Herzkrankheiten sorgten im Jahr 2004 für einen Umsatzanteil von 6,4 Prozent im Apotheken-Einzelhandel und 2,5 Prozent im Klinikbereich. Auch für Medikamente die zur Therapie von Krebs, AIDS und Diabetes eingesetzt werden, steigt die Nachfrage.
Pharmamarkt Russland: klein aber dynamisch
Die Wachstumsdynamik ist kennzeichnend für den pharmazeutischen Markt in Russland, der mit einem Umsatz von 3,74 Milliarden US Dollar relativ klein ist und Konsolidierungspotenzial hat: Die Top-Ten der Arzneimittelhersteller erwirtschaften nur 32,5 Prozent des Gesamtumsatzes. Im Vergleich dazu liegt beispielsweise in US, UK, Frankreich und Ungarn der Anteil der Top Ten bei ca. 50 Prozent. Die meisten der 700 russischen Arzneimittelhersteller konzentrieren sich auf die Produktion von Generika, die im Vergleich zu ethnischen Produkten günstiger sind.
33 Prozent der Pharmakonzerne planen Produktion in Russland
Bisher unterhalten nur sehr wenige multinationale Unternehmen Produktionsanlagen in Russland, doch ein Wandel könnte sich abzeichnen. Eine Umfrage von PwC und der Association of International Pharmaceutical Manufacturers (AIPM) unter den führenden ausländischen Herstellern ergab, dass 33 Prozent von ihnen darüber nachdenken, in den nächsten zwei oder drei Jahren (19 Prozent in den nächsten fünf Jahren) eigene Produktionsanlagen in Russland zu errichten. Gründe dafür sind, dass diese Unternehmen um ihre Konkurrenzfähigkeit fürchten bzw. ihre regionale Präsenz erweitern wollen.
Attraktiver Standort für die Forschung in Immunologie und Virologie sowie für die Durchführung klinischer Studien
Trotz der Unterfinanzierung der medizinischen Forschung zu Zeiten des alten politischen Systems verfügt Russland nach wie vor über einige hervorragende Forschungszentren in den Bereichen Immunologie und Virologie. Des weiteren gewinnt der Standort Russland an Attraktivität für die Durchführung klinischer Versuche: Die Anzahl internationaler Studien in russischen Kliniken ist von 2000 bis 2004 um 136 Prozent gestiegen. Die Klinikkosten für die Durchführung der Studien liegen um 50 Prozent niedriger als in westlichen Ländern. Zudem lassen sich die Patienten relativ leicht für die Teilnahme an Studien gewinnen. Ärzte bessern hiermit ihr in der Regel niedriges Einkommen auf. Hinderlich sind allerdings Sprachbarrieren und der Mangel an gut ausgebildeten, russischen Mitarbeitern zur Betreuung der Studien direkt vor Ort.
Schwerfällige Bürokratie behindert Investitionen
Bürokratische Strukturen, Korruption, Medikamentenfälschungen, eine schwache Verkehrsinfrastruktur und eine mangelnde Einhaltung der intellektuellen Eigentumsrechte zählen zu den Erschwernissen für internationale Konzerne und Investoren auf dem russischen Markt. Die Verwaltung sowie das Steuer- und Rechtssystem sind immer noch sehr ineffizient. Doch das Ziel Russlands, in die Welthandelsorganisation aufgenommen zu werden, fördert die Reformbemühungen. Ein neuer Zollkodex soll die Zollabwicklung und ein neues Lizenzsystem die Einfuhrgenehmigungen vereinfachen. Der Amtsschimmel zeigt sich aber auch darin, dass beide Maßnahmen noch nicht vollständig umgesetzt sind. Die schwerfällige russische Bürokratie betrachten ausländische Unternehmen als eines der größten Hindernisse beim Aufbau von Produktionsanlagen, so das Ergebnis der Umfrage von PwC und AIPM. Wirtschaftliche und politische Risiken stehen an zweiter Stelle der Gründe, die multinationale Unternehmen davon abhalten, in Russland zu investieren. Die Attraktivität Russlands für ausländische Direktinvestitionen (FDI) ist vergleichsweise gering. Der Anteil von FDI am Bruttoinlandsprodukt lag im Jahr 2005 nur bei 6 Prozent - in China war dieser Anteil sechsmal so hoch. Gründe hierfür liegen in den offiziellen und inoffiziellen Barrieren für ausländische Investitionen. Dennoch hat die Regierung mit Wirtschaftszonen wie Kaliningrad neue Anreize für FDI geschaffen, denn dort profitieren Investoren und Unternehmen von der Zoll- und Steuerfreiheit.
Korruption und Fälschungen von Medikamenten
Korruption ist in Russland weit verbreitet. 2005 fiel Russland von Rang 90 im Vorjahr auf Rang 126 der 159 Länder, die im Transparency International Corruption Perception Index bewertet wurden. Nach Schätzungen der INDEM Foundation zahlen Unternehmen jährlich etwa 316 Milliarden US Dollar an Schmiergeld, die durchschnittliche Bestechungssumme liegt bei 135.800 US Dollar (im Vergleich 13mal höher als im Jahr 2001).
Medikamentenfälschungen stellen ein weiteres großes Problem für ausländische Unternehmen und Investoren dar: Der Anteil gefälschter Arzneimittel am Pharmamarkt liegt zwischen 3,5 Prozent und 12 Prozent. Im Jahr 2003 wurden 321 Pharmaunternehmen ihre Lizenz zur Herstellung und zum Vertrieb von gefälschten Medikamenten entzogen.
Strategien für den Markteintritt
Trotz der zahlreichen Herausforderungen bietet der russische Markt Potenzial für ausländische Pharmaunternehmen oder Investoren. "Russland verspricht mehr, als der erste Eindruck vermittelt. Der russische pharmazeutische Markt ist seit Beginn des Millenniums schneller gewachsen als die Märkte in den entwickelten Ländern", so Volker Booten, in Deutschland verantwortlich für den Bereich Pharma bei PricewaterhouseCoopers. "Wenn Russland die positive wirtschaftliche Entwicklung langfristig weitertreiben kann, werden sich mit steigendem Einkommen immer mehr Patienten westliche Medikamente leisten können. Dabei ist es beim Markteintritt ratsam, sich zuerst auf den europäischen Teil Russlands zu konzentrieren: Hier leben über 80 Prozent der Bevölkerung. Strategische Partnerschaften mit mittelgroßen Zwischenhändlern helfen, die begrenzte Verkehrsinfrastruktur zu überwinden. Zugleich vereinfachen Allianzen mit lokalen Produzenten den Markteintritt."