Bayer ist bei Schering am Ziel - Merck steckt Millionen ein

16.06.2006

(dpa) Der Leverkusener Bayer-Konzern hat den Übernahmekampf um das traditionsreiche Pharmaunternehmen Schering für sich entschieden, muss dafür aber tiefer in die Tasche greifen als geplant. Wenige Stunden vor Ablauf der Annahmefrist des Bayer- Kaufangebotes lenkte die Darmstädter Merck-Gruppe am Mittwoch ein und bot dem Leverkusener Chemie- und Pharmariesen ihr Schering- Aktienpaket in Höhe von knapp 22 Prozent zum Kauf an. Alle Aktionäre erhalten statt 86 jetzt 89 Euro je Aktie - auch jene, die Bayer ihre Aktien innerhalb des öffentlichen Kaufangebots anbieten. Die Annahmefrist war am Mittwoch um Mitternacht ausgelaufen.

Zuletzt hatte Bayer insgesamt 55 Prozent des Schering Kapitals auf seine Seite gezogen. Einschließlich des Merck-Pakets ist die Mindestquote von 75 Prozent bereits übertroffen worden. Bayer will das offizielle Ergebnis seines Übernahmeangebots voraussichtlich am 22. Juni bekannt geben, wie der Leverkusener Konzern mitteilte. Die gesamte Transaktion wird den ursprünglichen Wert der Übernahme von 16,5 Milliarden Euro um mehrere 100 Millionen Euro übertreffen. Der Erwerb ist die größte Übernahme in der Firmengeschichte von Bayer.

Bayer-Chef Werner Wenning freute sich über die erzielte Lösung: «Ein langfristiger Bieterwettbewerb hätte die Zukunft von Schering stark beeinflusst», erklärte er. Von diesem Schritt würden zudem alle drei beteiligten Unternehmen profitieren. «Wir haben heute einen großen Schritt getan, um ein bedeutendes Pharma-Unternehmen von Weltklasse auf den Weg zu bringen».

Auch der Schering-Vorstandsvorsitzende Hubertus Erlen begrüßte das Ende des Übernahmekampfes. «Ich bin erleichtert, dass es zu dieser Einigung kommt». Sie liege «ganz klar im Interesse» der Mitarbeiter und der vielen anderen Aktionäre, sagte er in Berlin.

In den vergangen Tagen hatte es vermehrt Anzeichen dafür gegeben, dass es Bayer nicht gelingen würde, bei Schering auf Anhieb die 75- Prozent-Quote zu erreichen. So hatte die im Bieterstreit unterlegene Merck-Gruppe in den vergangenen Wochen damit begonnen, massiv Aktien von Schering aufzukaufen. Auch Bayer hatte am Markt Aktien zugekauft und dafür zum Teil bis zu 88 Euro je Aktie gezahlt. Ursprünglich hatte Merck für Schering 77 Euro je Aktie geboten, was von Bayer mit 86 Euro übertrumpft worden war. Der Schering-Vorstand sprach sich ebenfalls für die Bayer-Kaufofferte aus.

Merck hat in der Bieterschlacht ordentlich Kasse gemacht. Insgesamt streicht die Gruppe aus dem Verkauf der Schering-Aktien an Bayer 3,7 Milliarden Euro ein, teilte das Unternehmen mit. Noch im zweiten Quartal 2006 werde ein außerordentlicher Ertrag von knapp 400 Millionen Euro verbucht. Zudem sei man übereingekommen, weitere Kooperationsmöglichkeiten «zu prüfen». Das Unternehmen ist vor allem am Krebsgeschäft von Schering sowie am Vertriebsnetz des Konkurrenten in den USA interessiert.

Der Vorsitzende der Merck-Geschäftsleitung, Michael Römer, verteidigte die Aktienkäufe: «Kurze Spekulationsgewinne waren nie unser Ziel und sind wahrlich kein Handlungsgrund für ein Unternehmen, das in Generationen denkt». Es sei aber geradezu eine Verpflichtung gewesen, die Option zur Sicherung der eigenen Position bis zum Schluss zu verfolgen.

Merck hatte vom 30. Mai bis zum 14. Juni beinahe täglich Schering- Anteile erworben und besaß zum Schluss mehr als 41,5 Millionen Papiere. Der Preis war zwar in den vergangenen Tagen stetig gestiegen, lag mit zuletzt durchschnittlich 86,8 Euro aber immer noch deutlich unter den 89 Euro, die Bayer nun an Merck überweist.

Die höheren Kosten für die Schering-Übernahme führen nach den Worten von Schering-Chef Erlen nicht zu einem stärkeren Stellenabbau. «Meine Erfahrung bei solchen Zusammenschlüssen ist, dass dabei die Synergien realisiert werden, die sich aus dem Geschäft heraus als vernünftig erweisen. Sie werden nicht abgeleitet aus irgendwelchen Finanzierungskosten», sagte Erlen der «Berliner Zeitung». Der Schering-Betriebsrat hatte dagegen die Befürchtung geäußert, dass die höheren Übernahmekosten zu erhöhten Einsparungen beim Personal führen könnten.

Angesichts des Übernahme-Pokers verlangen Aktionärsschützer Reformen. «Merck hat die Schwachstellen der deutsche Gesetze offenbart», sagte Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) der «Welt». Die meisten Informationen über den Übernahmekrimi und den genauen Verlauf der Aktienaufkäufe des Darmstädter Familienunternehmens habe es vor allem bei der US-Börsenaufsicht SEC gegeben, bemängelte er. «Das deutsche System aus den Meldeschwellen bei fünf, zehn und 25 Prozent ist nicht ausreichend.»

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