Derselbe Krebs, verschiedene Achillesfersen
Am häufigsten sind neuroendokrine Tumoren des Magen-Darm-Traktes. Sie entstehen durch Mutation aus bestimmten Zellen im Verdauungssystem, die Hormone produzieren und dadurch den Verdauungsvorgang regulieren. Manche Tumoren "erben" diese Fähigkeit, andere dagegen nicht. Außerdem können sie sich in ihrer Teilungsrate deutlich unterscheiden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat daher die neuroendokrinen Tumoren in verschiedene Kategorien eingeteilt. "Wir konnten in unserer Studie feststellen, dass Tumoren aus verschiedenen Kategorien auch mit unterschiedlichen Medikamenten behandelt werden sollten", erklärt der Bonner Nuklearmediziner Dr. Samer Ezziddin.
Die meisten neuroendokrinen Tumoren haben eine schöne Eigenschaft: Sie tragen auf ihrer Oberfläche ungewöhnlich viele Rezeptoren für das so genannte Somatostatin. Mediziner machen sich das zunutze, indem sie an das Somatostatin eine Art radioaktives Etikett kleben. Die derart veränderte Substanz bindet in großen Mengen an die Krebszellen und wird von ihnen aufgenommen. Die strahlenden Zellen lassen sich dann sichtbar machen. Dieses Verfahren eignet sich sogar für die Therapie, da die radioaktive Strahlung die Tumorzellen schädigt oder gar vernichtet.
Nachteil dieser Methode ist nur, dass sie nicht immer gleich gut funktioniert. Von den 57 Patienten, die der Nuklearmediziner zusammen mit Kollegen aus der Pathologie und der Abteilung für diagnostische Bildgebung aus Alberta untersucht hat, sprachen diejenigen mit einer besonders aggressiven Krebsvariante lediglich auf die Somatostatin-Präparate an. Bei langsamer wachsenden Tumoren half dagegen oft ein anderer Wirkstoff: Das ebenfalls radioaktive MIBG. "Krebszellen einer bestimmten Kategorie können noch Verdauungshormone bilden", erklärt Ezziddin. "Dazu nutzen sie MIBG fälschlicherweise als Ausgangssubstanz, so dass sich die radioaktive Substanz ebenfalls in den Zellen anreichert und sie schädigt." Gegen langsam wachsende Tumorzellen, die Hormone produzieren können, ist MIBG daher sehr gut geeignet.
Verschwinden lassen die Medikamente die Tumoren zwar nicht. Sie schädigen die Geschwulste aber immerhin so stark, dass diese nicht mehr wachsen können. "Das klappt in mehr als der Hälfte der Fälle", sagt der Mediziner. Mindestens ebenso wichtig ist aber, dass die Krebszellen nach der Behandlung fast keine Hormone mehr ausschütten. "Und damit verschwinden dann meist auch die quälenden Symptome."
Originalveröffentlichung: Journal of Nuclear Medicine 2006.
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