Studie: Enzym macht Prostata-Krebs aggressiv

05.08.2005

Wer an Prostatakrebs erkrankt, merkt davon manchmal zeitlebens nichts: Oft wachsen Tumoren der "Vorsteherdrüse" so langsam, dass sie über viele Jahre keine Beschwerden verursachen. Mit trickreichen Mechanismen sorgt der Körper dafür, dass sich die Krebszellen nur langsam teilen. Bei manchen Patienten sind die Tumoren aber erheblich aggressiver. Wissenschaftler aus Freiburg und Bonn haben nun ein Enzym identifiziert, das dafür verantwortlich sein könnte: Es bewirkt, dass die Zellteilungs-Gene in der Prostata viel häufiger abgelesen werden als normal. Die Ergebnisse erscheinen in der Zeitschrift "Nature".

Zur Tumorbildung trägt auch das Hormon Testosteron bei. In der Vorsteherdrüse aktiviert Testosteron unter anderem die Zellteilungs-Gene. "Unter seinem Einfluss können daher aus entarteten Zellen Tumoren entstehen", erklärt der Bonner Pathologe Professor Dr. Reinhard Büttner. "Daher versucht man, den Körper bei Prostatakrebs dazu zu bringen, weniger Testosteron zu produzieren, und so die Teilung der Krebszellen zu stoppen."

Ohnehin wachsen die Krebszellen meist nur langsam. Dafür sorgt ein ausgeklügelter Mechanismus, der die Teilung-Gene teilweise inaktiviert: Unser Erbgut ist um winzige kugelförmige Eiweiße gewickelt, die so genannten Histone. Je enger diese "Lockenwickler" liegen, desto schwieriger wird es für die Zelle, die Informationen auf dem DNA-Faden abzulesen. "Aktive" Gene sind daher lockerer gepackt; Erbanlagen, die nicht abgelesen werden sollen, hingegen sehr eng aufgewickelt. Dazu gehören auch die "Zellteilungs-Gene" in der Prostata.

Die Zellen können jedoch steuern, wie dicht das Erbgut gepackt wird - beispielsweise, indem sie an die Histone so genannte "Methylgruppen" kleben. Diese chemischen Verbindungen wirken wie kleine Magnete: Sie sorgen dafür, dass sich die Histone enger nebeneinander legen - die Packungsdichte steigt, Gene werden seltener abgelesen. Andererseits gibt es Enzyme, die die "Magnete" wieder entfernen. Ein Beispiel ist das Enzym "LSD1", das Büttner zusammen mit der Freiburger Arbeitsgruppe um Professor Dr. Roland Schüle unter die Lupe genommen hat.

"LSD1 kann die Packungsdichte bestimmter Gene so sehr verringern, dass sie sich sehr leicht ablesen lassen", fasst Professor Büttner die Ergebnisse zusammen. "Dazu gehören auch die Erbanlagen, die Prostata-Zellen für ihre Teilung benötigen." Unter Einfluss von LSD1 vermehren sich die Zellen daher erheblich schneller - eine Tatsache, die auch die Aggressivität bestimmter Prostata-Tumoren zu erklären scheint: "Unsere Untersuchungen zeigen: Je mehr LSD1, desto aggressiver die Krebszellen", betont Professor Büttner.

Mehr noch: LSD1 kann die Erbanlagen so weit entblößen, dass die Prostata-Zellen gar kein Testosteron mehr benötigen, um sich zu teilen. "Das könnte auch erklären, warum Prostatatumoren auch ohne Testosteron nach einiger Zeit wieder zu wachsen beginnen", meint der Pathologe. Ziel der Forscher ist es daher, das Enzym auszuschalten und so die Zellteilung zu bremsen. In Zellkulturen ist ihnen das bereits gelungen. Langfristig hoffen sie nun auf Medikamente, die sich auch beim Menschen einsetzen lassen.

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