Neues Forschungsprogramm über Biomolekulare Nano-Maschinen gestartet
Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung erhält zwei Mio. Euro für Europäisches Forschungsnetzwerk
Biomimetische Systeme sind Modelle, die bestimmte Aspekte biologischer Organismen nachahmen. So ist es verblüffend, dass biologische Zellen zu dramatischen morphologischen Veränderungen fähig sind. Sie können problemlos ihre Form sehr dünnen Poren anpassen, um sich durch diese hindurch zu zwängen, oder lange "Füße" ausbilden, um über Oberflächen zu kriechen und sich selbst in zwei Tochterzellen teilen. All diese Transformationsprozesse basieren zwei Typen von biomolekularen Nano-Maschinen - längenveränderlichen Filamenten und leistungsfähigen Schrittmotoren.
Beide Maschinen-Typen werden zwar durch Proteine gebildet, benutzen aber ganz unterschiedliche Mechanismen, um Kräfte zu erzeugen. Die Filamente sind stäbchenförmige Strukturen, die nur ca. 10 Nanometer dick, aber viele Mikrometer lang sind. Bei Zugabe von nanometergroßen Bausteinen verlängert sich eines ihrer Enden und erzeugt auf diese Weise Schubkräfte. Schrittmotoren sind Proteine mit zwei identischen "Beinen", jedes mit einer Größe von ca. 10 Nanometern. Kommt ein solcher Motor mit einem Filament in Kontakt, verändert sich seine äußere Form derart, dass an dem Filament Zugkräfte erzeugt werden.
Eine einzelne Nano-Maschine generiert aufgrund ihrer winzigen Größe relativ geringe Kräfte von wenigen Piconewton (10-12 Newton). Doch reagieren solch winzige Maschinen sehr sensibel auf ihre Umgebung - allein der thermische Zusammenstoß mit Molekülen kann ihre Funktion empfindlich stören. Bemerkenswert ist, dass alle von lebenden Zellen und Organismen erzeugten Kräfte durch die gleichzeitige und abgestimmte Bewegung von vielen derartigen Nano-Maschinen erzeugt werden. Zellen können auf diese Weise Kräfte im Nanonewton-Bereich ausüben, Tiere sogar im Bereich von Hunderten von Newton. Biologische Systeme können also Kräfte in der Größenordnung von einigen Piconewton (10-12 Newton) bis zu mehreren Hundert Newton erzeugen. Wollen wir Menschen diese erstaunliche Fähigkeit nachahmen, müssen wir Filamentbündel und Gruppen von Motoren in größere und komplexere Systeme integrieren. Das ist eine fundamentale Herausforderung für die Bionanowissenschaften.
Das jetzt etablierte Forschungsnetzwerk über "Aktive Biomimetische Systeme" wird von Prof. Reinhard Lipowsky, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, koordiniert. Ziel des Verbundes ist es, zu einem tieferen Verständnis jener molekularen Prozesse zu kommen, die für die Erzeugung der Schub- und Zugkräfte verantwortlich sind. Darüber hinaus soll das kooperative Verhalten von Filamenten und Motoren in Bündeln, zufälligen Maschenwerken und komplexeren räumlichen Anordnungen beleuchtet werden. Des Weiteren wollen die Forscher die Eigenschaften von biomimetischen Systemen auf systematische und verlässliche Weise kontrollieren und variieren können, um auf diese Weise ihre Architektur optimieren und ihr Design verbessern zu können.
Aktive biomimetische Systeme, wie sie in dem Forschungsnetzwerk untersucht werden, haben viele potentielle Anwendungsmöglichkeiten: Transportsysteme für Wirkstoffe, molekulare Sortiervorrichtungen, diagnostische Geräte für das Screening von Zellen oder Gerüste für künstliche Gewebe. Eine langfristige Vision ist die Konstruktion von Nano-Robotern, die gezielt bestimmte Arbeiten im Nanometerbereich ausführen können. Diese winzigen Roboter werden einmal einen großen Einfluss auf viele Aspekte des menschlichen Lebens haben, wie beispielsweise bei der medizinischen Diagnostik einzelner Zellen, beim zielgerichteten Wirkstofftransport zu spezifischen Zellen oder in der nichtinvasiven Chirurgie sehr kleiner Regionen im menschlichen Körper. Gleichermaßen repräsentieren diese Roboter wichtige Komponenten für die Entwicklung von Herstellungsverfahren im Nanometerbereich. Dies erscheint vielversprechend, um damit molekulare Komponenten zu integrierten Nano-Systemen zusammenzubauen.
Die Forschung innerhalb dieses europäischen Netzwerks ist hoch interdisziplinär und kombiniert (bio)chemische Präparation, (bio)physikalische Charakterisierung und theoretische Modellbildung. Erreichte Ergebnisse sind die gemeinschaftliche Leistung von Biophysikern, Biochemikern, Physikalischen Chemikern und Bioingenieuren. Die teilnehmenden Institutionen sind: Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung Potsdam, AMOLF Institut Amsterdam, BASF Ludwigshafen, Curie Institut Paris, Europäische Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) Heidelberg, Institut für Molekulare Biotechnologie Jena, CNRS Labor über Enzymologie und strukturelle Biochemie Gif-sur-Yvette, Politécnico Mailand, Universität Leipzig.
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