Aktiv im Fadenwurm-Embryo
Dresdner Zellbiologen charakterisieren die Gene, die für die ersten Zellteilungen bei C. elegans verantwortlich sind
"Das Genom des Menschen ist sequenziert. Wir können es sogar in Form von Buchstaben abdrucken. Es ist jedoch ein riesiger Text, dessen Grammatik wir noch nicht verstehen", sagt Anthony Hyman, Direktor am Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik, und Mitbegründer der Cenix Bioscience GmbH. "Die große Herausforderung des postgenomischen Zeitalters ist es nun, die Aufgaben einzelner Gene zu bestimmen und deren komplexe Zusammenhänge aufzuzeigen." Dazu benötigt die Biologie einen geeigneten Modellorganismus, wie den Fadenwurm C. elegans.
C. elegans dient den Dresdner Forschern jetzt dazu, seine etwas mehr als 19.000 Gene auf die Funktion der frühen Zellteilung zu testen. Für die Studie steuerte das Team von Anthony Hyman die ersten grundlegenden Versuche bei. Anschließend suchten die Mitarbeiter der Cenix BioScience GmbH in einem Screenverfahren nach den Genen, die für die embryonale Zellteilung verantwortlich sind. Nacheinander schalteten die Wissenschaftler durch die RNAi-Methode Gen für Gen aus und beobachteten den Vorgang der Zellteilung im Embryo. Ist dieser Prozess beim Nicht-Funktionieren eines bestimmten Gens gestört, so können die Forscher im Rückschluss folgern, dass eben dieses Gen in den Prozess der Zellteilung involviert ist.
Im Verlauf des Screening-Projektes erstellten die Zellbiologen mit dem Verfahren der Differentiellen Interferenzkontrast-Mikroskopie eine Bibliothek mit Videoclips der Phänotypen, also dem Erscheinungsbild der Organismen. Dazu werteten die Forscher mehr als 40.000 Zeitraffer-Filme aus. Die digitalen Datensets wurden anschließend mit einem eigens entwickelten Klassifizierungssystem versehen. Das beeindruckende Ergebnis: 661 Gene konnten mit der Funktion der Zellteilung von C. elegans in Verbindung gebracht werden.
Dieses kombinierte Verfahren aus Bioinformatik-Analyse und der Phänotypen-Klassifizierung hat bisher noch unbekannte Gene des Fadenwurms mit einer Funktion in Verbindung gebracht: Sieben neue Gene konnten bestimmt werden, die die Funktion der Chromosomen steuern, drei Gene, die die Hülle des Zellkerns anordnen, vier Gene, die den Zellteilungszyklus vorantreiben und elf Gene, die den Zellstoffwechsel mit den Treibstoff ATP koordinieren. "Für 17 der neuen Gene konnten wir zudem auch schon die gleiche Funktion beim Menschen bestätigen", sagt Birte Sönnichsen von Cenix BioScience. "Wir hoffen, noch mehr solcher Gene zu finden, die wir dann zielgenau einsetzen können bei der Entwicklung von Medikamenten gegen Krebs."
Die vorliegende Studie macht deutlich, welche Erkenntnisimpulse die Verbindung von Analyse-Screens und gleichzeitigen Detailstudien setzen kann. Neben der Zuweisung neuer Funktionen für bisher uncharakterisierte Gene hat diese Experimentierreihe der Dresdner Zellbiologen auch die Ergebnisse in einen größeren Rahmen gestellt und damit den Rohstoff für weitergehende Studien bereitgestellt. Eine Datenbank steht für Experimente im Internet zur Verfügung.
Originalveröffentlichung: B. Sönnichsen, L. B. Koski, A. Walsh, P. Marshall, B. Neumann, M. Brehm, A.-M. Alleaume, J. Artelt, P. Bettencourt, E. Cassin, M. Hewitson, C. Holz, M. Khan, S. Lazik, C. Martin, B. Nitzsche, M. Ruer, J. Stamford, M. Winzi, R. Heinkel, M. Röder, J. Finell, H. Häntsch, S. Jones, M. Jones, F. Piano, K. C. Gunsalus, K. Oegema, P. Gönczy, A. Coulson, A.A. Hyman, C.J. Echeverri; "Full-genome RNAi profiling of early embryogenesis in Caenorhabditis elegans"; Nature 2005.
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