Mediziner fordern Gendiagnostikgesetz - «Wildwuchs» privater Labors

14.06.2004

München (dpa) - Auch in Deutschland verbreitet sich nach Einschätzung von Humangenetikern ein gefährlicher «Wildwuchs» im Gentest-Bereich. «Es drängen zum Teil nicht ärztliche Labors auf den Markt, die alles Mögliche an Gendiagnostik anbieten, was keine medizinische Begründung hat», warnte der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik (GfH), Prof. Claus Bartram, in einem dpa-Gespräch.

Vor Beginn der Europäischen Humangenetikkonferenz am Samstag in München forderte er die Verabschiedung des längst geplanten Gendiagnostikgesetzes, das auch eine kompetente Beratung regeln soll. Bei der Konferenz treffen sich bis Dienstag 1500 Experten aus 62 Ländern. Für eine flächendeckende humangenetische Beratung sind laut Bartram in den nächsten acht Jahren bundesweit zusätzlich 300 Facharztstellen nötig.

Insgesamt gebe es in Deutschland schon jetzt mehr als ein Dutzend Firmen, die Gentests ohne jede Beratung über das Internet anböten. Interessenten schicken ihre Speichelprobe ein und erhalten schriftlich das Ergebnis. Für mehrere 100 Euro werde Auskunft darüber versprochen, ob der Betreffende suchtanfällig sei, zu Osteoporose oder Krampfanfällen neige, oder eine allgemeine Tumordisposition habe. «Das sind Dinge, die keine wissenschaftliche Basis haben», unterstrich Bartram. «Wir wollen keine "Gen-Buden", wo man heute Würstchen und morgen Gentests kaufen kann.»

Rückschlüsse könnten Gentest bei Krebsarten wie Brust-, Dickdarm- und Schilddrüsenkarzinom bringen, außerdem bei einer Reihe von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen. Dazu gehöre die Huntington-Krankheit (Veitstanz), die etwa im Alter von 40 Jahre ausbreche und über Jahre zum Tod führe. «Wer die Anlage hat, wird zu 100 Prozent auch erkranken, und es gibt keine Therapie», erläuterte Bartram. «Frage: Darf man den Test machen, wenn man gar keine Therapie anbieten kann?»

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