Proteinschwingungen per Laser beobachten

Schwingung ermöglicht Faltung und Funktion

08.04.2004

Um die Schwingungen von Proteinen zu erforschen, erhält die AG für Laserspektroskopie und Biophotonik der RUB (Lehrstuhl für Physikalische Chemie II, Prof. Dr. Martina Havenith-Newen) vom internationalen Human Frontier Science Program (HFSP) rund 860.000 Euro für drei Jahre. Die Schwingungen, die wesentlich für die Faltung und Funktion von Proteinen sind, liegen zwischen dem Mikrowellen- und Infrarotwellenbereich und konnten bisher nicht beobachtet werden. Erst eine neue Lasertechnik macht es möglich. Die Bochumer Chemiker konnten sich mit ihrem Projekt "Direct observation and modeling of protein motions important for function and folding" gegen insgesamt rund 750 internationale Bewerber durchsetzen, von denen weltweit nur 27 berücksichtigt wurden. Sie sind eine von nur zwei universitären Gruppen aus Deutschland, die aus dem Programm gefördert werden - ein Ausweis für Spitzenforschung in der Ruhr-Universität Bochum.

Schwingung ermöglicht Faltung und Funktion

Proteine falten und entfalten sich, beschleunigen Reaktionen oder übermitteln Signale an andere Biomoleküle. Alle diese Prozesse werden getragen durch die so genannten Gerüstschwingungen der Proteine. Dazu gehören Bewegungen des gesamten Proteingerüstes wie Verdrillungen (Verdrehungen in sich), Atmungsmoden (Dehnen und Zusammenziehen der Helix) oder die Auslenkung von einzelnen Seitengruppen. Die Bewegungen sind periodisch, wobei die Periode im Bereich von Picosekunden (psec = 0,000000000001 Sekunde) liegt. Nachdem in der letzten Zeit erhebliche Fortschritte in der statischen Strukturbestimmung von Proteinen gemacht wurden, wollen die Forscher nun erstmals die Gerüstschwingungen direkt beobachten.

Fingerabdruck der Bewegungen

Dazu bedienen sie sich einer neu entwickelten experimentellen Technik, die die Schwingungen mit Hilfe von Laserlicht "sichtbar" macht. "Dabei nutzt man aus, dass die 'quantisierten' Gerüstschwingungen durch Lichteinstrahlung angeregt werden können, und zwar genau dann, wenn die Frequenz des Laserlichtes mit der Frequenz dieser Bewegung genau übereinstimmt", erklärt Prof. Havenith-Newen. So erhalten die Forscher einen charakteristischen "Fingerabdruck" (Absorptionsspektrum) für die Bewegung der Proteine. Die Schwingungen liegen im so genannten Terahertz (THz)-Bereich des elektromagnetischen Spektrums zwischen dem Mikrowellen- und dem Infrarotbereich. Da er bisher technologisch unerschlossen war, wurde er auch als THz-Lücke bezeichnet. "In diesem Frequenzbereich ist im Moment eine rasante technische Entwicklung zu verzeichnen, da er sowohl für die Kommunikationstechnik als auch für die Medizintechnik, zum Beispiel für bestimmte bildgebende Verfahren, von Bedeutung ist", so Prof. Havenith-Newen.

Proteinbewegungen in Flüssigkeiten beobachten

Mit dem neuen, leistungsstarken p-Ge THz Laser, der in Bochum einzigartig zur Verfügung steht, ist nun gelungen, erstmals Proteinbewegungen in Flüssigkeiten sichtbar zu machen, obwohl Wasser im THz-Bereich sehr viel Strahlung absorbiert und daher fast undurchsichtig ist. Da die Proteinfaltung nur in flüssiger Umgebung stattfinden kann, eröffnet dies erstmals die Möglichkeit, Gerüstschwingungen von Proteinen bei der Faltung sichtbar zu machen. Ziel ist es, im Detail zu verstehen, wie solche Schwingungen die Faltung ermöglichen. Die mit dem Human Frontier Science Award finanzierten Forschungsarbeiten wird die Bochumer Chemikerin als "Principal Investigator" des Projekts zusammen mit zwei amerikanischen Gruppen angehen: Die Gruppe um Prof. Martin Grübele in Urbana Champaign wird dazu spezifische Mutationen beisteuern, die gezielte Strukturänderungen der Proteine ermöglichen. In der Gruppe von Prof. David Leitner sollen die Proteinbewegungen mathematisch modelliert werden.

Ziel für drei Jahre: Belichtungszeit weiter verbessern

Ziel weiterer Entwicklungsarbeiten in den nächsten drei Jahren ist es, die Gerüstschwingungen während der Proteinfaltung sichtbar zu machen. Dazu wollen die Forscher die Zeitauflösung, also die "Belichtungszeit" bei der Beobachtung bis in den Femtosekunden (fsec)-Bereich hinein steigern. Während bisherige experimentelle Untersuchungsmethoden Bewegungen von 1 msec bis 0.001 msec (Millisekunde) erfassen, wäre das wesentlich schneller. "Ähnlich wie historische Betrachtungen entscheidend davon abhängen, ob ich einen Vorgang jeweils über tausend Jahre gemittelt erfasse, oder ob ich in der Lage bin, jeden Vorgang im Abstand von einer Sekunde zu dokumentieren, erwartet man nun auch für die Erforschung der Proteinbewegungen auf dieser Zeitskala einen Einblick in völlig neue Welten", so Prof. Havenith-Newen.

Zukunftsweisende Projekte aus Hirnforschung und Molekularbiologie

Das HFSP, das von acht Staaten und der EU getragen wird, unterstützt insbesondere zukunftsweisende interdisziplinäre biologische Forschungsansätze auf den Gebieten Hirnforschung und der Molekularbiologie. Deutschland steuert dieses Jahr rund 2,2 Mio. Euro zum Jahresetat des Programms bei. Seit 1990 haben 2.314 Wissenschaftler am HFSP teilgenommen, 567 Projekte wurden gefördert, an über 200 davon haben deutsche Forscher mitgewirkt.

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