Interview: Stammzellexperte der VITA 34 sieht Einsatz embryonaler Stammzellen skeptisch

"Mehr Fragen als Antworten"

18.02.2004

Südkoreanische Forscher haben erfolgreich embryonale Stammzellen geklont und damit heftige Reaktionen hervorgerufen. Skeptiker befürchten einen Dammbruch, der das Ende vom Schutz des ungeborenen Lebens einläutet. Befürworter malen dagegen ein hoffnungsvolles Bild an die Wand: unheilbare Erkrankungen sollen bald geheilt werden. Mehr dazu im Gespräch mit dem Gründer des Leipziger Biotechnologie-Unternehmens VITA 34, Dr. med. Eberhard F. Lampeter. VITA 34 ist auf die fachgerechte Präparation und Aufbewahrung von Nabelschnurblut-Stammzellen spezialisiert und engagiert sich in der Erforschung ihrer therapeutischen Möglichkeiten.

Wie lange, denken Sie, dauert es, bis die ersten Patienten mit geklonten embryonalen Stammzellen behandelt werden können? Das ist bislang nicht abzusehen. Es gibt einfach noch eine Vielzahl von Problemen zu lösen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Für ihr Experiment benötigten die Forscher 242 Eizellen. Aus diesen gelang es, 30 Blastozysten zu gewinnen - eine Erfolgsquote von gut 10 Prozent. Die Zahl wird noch weiter sinken, wenn es darum geht, aus diesen Blastozysten Stammzelllinien zu etablieren. Das gelingt vielleicht bei einer oder zwei. Selbst wenn das Verfahren verbessert wird, werden Sie für einen Patienten vermutlich immer noch Dutzende gespendete Eizellen benötigen, die ja irgendwo herkommen müssen.

Aber das Verfahren hat immerhin funktioniert? Das Klonen eines Embryos hat bei Frauen funktioniert, bei denen in die eigenen Eizellen ein körpereigener Zellkern eingebracht wurde. Es ist bislang nicht erfolgreich gelungen, den Zellkern einer männliche Zelle einzubringen oder einen Zellkern, der von einer anderen Frau stammt. Das heißt, für männliche Patienten oder für Frauen jenseits der Menopause gibt es die Möglichkeit des therapeutischen Klonens noch nicht. Hinzu kommt, dass in diesem Fall nie ein vollkommen identischer Klon entstehen würde, weil immer auch Zellinformationen aus der gespendeten Eizelle erhalten bleiben. Einen hundertprozentig identischen Klon kann man nur erzeugen, wenn man die körpereigenen Eizellen verwendet. Im Prinzip wirft dieser erste Erfolg also mehr Fragen auf, als wir Antworten bekommen haben.

VITA 34 forscht mit Nabelschnurblut-Stammzellen. Wo sehen Sie deren Vorteile? Zunächst einmal sind Nabelschnurblut-Stammzellen einfach und risikolos zu gewinnen. Die Gewinnung ist zudem ethisch unbedenklich, da es sich bei Nabelschnurblut um das Restblut aus Nabelschnur und Plazenta - normalerweise Geburtsabfall - handelt. Übrigens sind Nabelschnurblut-Stammzellen genetisch auch jünger als geklonte embryonale Stammzellen.

Wie das? Der geklonte Embryo erhält seine Erbinformation aus dem künstlich eingepflanzten Zellkern. Dieser stammt im Normalfall von einem Erwachsenen, wodurch die Erbinformation genauso alt ist wie der Mensch. Das heißt, es können bereits erworbene Gendefekte vorliegen oder Viren ins Genom integriert worden sein. Das beste Beispiel dafür ist das Klonschaf Dolly. Bereits im Alter von fünf Jahren litt Dolly an den altersbedingten Gebrechen ihrer doppelt so alten genetischen Mutter. Nabelschnurblut-Stammzellen werden dagegen zum Zeitpunkt der Geburt gewonnen. Das heißt, in dem Moment, wo wir beim Menschen mit dem Zählen des Alters beginnen. Sie sind also tatsächlich viel junger als manipulierte, das heißt geklonte, embryonale Strammzellen.

Sie sehen aber noch weitere Probleme mit embryonalen Stammzellen. Ja, es hat sich in Tierexperimenten gezeigt, dass sich in bis zu 90% der Fälle sehr gefährliche Tumoren entwickelten, wenn geklonte embryonale Stammzellen eingesetzt wurden. Wir kennen das auch beim Menschen. Wenn bei der Entwicklung des Organismus vereinzelte embryonale Zellen auf diesem Stadium verharren, entwickeln sie sich nicht selten zu sehr bösartigen Karzinomen. Die Tendenz zur Krebsbildung ist ein ganz fundmentales Problem beim Ensatz von embryonalen Stammzellen. So ein Problem gibt es mit Stammzellen aus Nabelschnurblut nicht.

Wann rechnen Sie mit ersten Anwendungen in der Regenerativen Medizin? Es gibt bereits erste Anwendungen. Zum Beispiel beim Herzinfarkt. An den Universitäten Rostock, Frankfurt und Düsseldorf werden schon heute Patienten in Studien mit Knochenmark-Stammzellen behandelt. Die Ergebnisse sind vielversprechend, es wird aber vermutet, dass sie umso besser sind, je jünger die verwendeten Stammzellen sind. Das könnten beispielsweise Nabelschnurblut-Stammzellen sein. Wir haben erst kürzlich mit unseren Kooperationspartnern von der Universität Leipzig zeigen können, dass Nabelschnurblut im Tierexperiment die Folgen eines Schlaganfalls deutlich verringern kann. Bis zu einem Einsatz beim Menschen vergehen sicherlich noch einige Jahre. Aber schon heute ist abzusehen, dass vieles, was wir uns von embryonalen Stammzellen versprechen, schneller und vielleicht sogar besser mit anderen Stammzellquellen erreicht werden kann.

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