Von großen Ohren und verschüttetem Kaffee: Die schrillen Ig-Nobelpreise sind längst Kult

Papierflieger, bizarre Kurz-Opern und viel Klamauk, alles im Namen der Wissenschaft

15.09.2017 - USA

(dpa) Kaffee verschütten nervt. «Wir alle tun es und wir alle hassen es», sagt Jiwon Han auf der Bühne des Sanders-Theaters der US-Eliteuniversität Harvard in Boston. «In meiner Schulzeit hatte ich zuviel Zeit und habe ein Physik-Forschungspapier darüber geschrieben.» Das Ergebnis - und das Geheimnis nicht verschütteten Kaffees: Den Becher von oben festhalten, geradeaus schauen und rückwärts laufen. «Aber ist das praktisch? Überhaupt nicht! Also ist der Deckel erfunden worden. Aber ich habe verstanden: Bei Forschung geht es nicht darum, wie alt man ist oder wie klug - sondern darum wie viel Kaffee man trinkt. Und mit ausreichend Kaffee und etwas Pech landet man dann in Boston.»

12019, pixabay.com, CC0

Symbolbild

Dort nahm Jiwon Han in der Nacht zum Freitag seinen Ig-Nobelpreis für sein Forschungspapier über verschütteten Kaffee entgegen - einen von zehn Spaßpreisen für wissenschaftliche Veröffentlichungen, die «erst zum Lachen und dann zum Denken anregen». Die Ig-Nobelpreise («ignoble» heißt auf Deutsch «unwürdig») wurden bereits zum 27. Mal an seriöse, wenn auch kuriose Forschungen verliehen - und sind längst Kult. Die undotierten Auszeichnungen sollen «das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren».

Die klamaukig-schrille Preisgala mit mehr als 1000 Zuschauern ist stets lange im Voraus ausverkauft. Zwischendurch fliegen bei der so ganz anderen anderthalbstündigen Preisverleihung, zu der auch echte Nobelpreisträger anreisen, Papierflieger durch die Luft, es gibt Sketche und bizarre Kurz-Opern. Die Trophäe war in diesem Jahr der Plastikkopf einer Schaufensterpuppe mit einem darauf gesteckten Fragezeichen. Die Gewinner stammen aus fünf Kontinenten, Deutsche waren diesmal allerdings, anders als in den vergangenen Jahren häufiger, nicht dabei.

Forscher aus der Schweiz, Kanada, den USA und den Niederlanden erhielten einen Preis in der Kategorie Frieden. Sie hatten entdeckt, dass das regelmäßige Spielen eines Didgeridoos bei der Behandlung von Schlafbeschwerden und Schnarchen helfen kann. Die Gewinner kamen Didgeridoo-spielend auf die Bühne, um sich für die «große Ehre» zu bedanken. Forscher Alex Suarez hatte die lindernde Wirkung des Spielens des australischen Instruments bei sich selbst festgestellt. Eine spezielle Atemtechnik sei der Grund. In einer Studie stellten die Forscher fest, dass diese auch anderen Menschen gegen Schnarchen und Schlafprobleme half.

Wissenschaftler aus Australien und den USA erhielten einen Preis für ihre Untersuchung der Frage, wie sich der Kontakt mit lebenden Krokodilen auf den Wunsch von Menschen nach Glücksspielen auswirkt. Forscher aus Frankreich, Singapur und den USA analysierten, ob Katzen sich gleichzeitig im festen und im flüssigen Zustand befinden können - und wurden dafür ausgezeichnet. Wissenschaftler aus Japan, Brasilien und der Schweiz wurden für die Entdeckung eines weiblichen Penis und einer männlichen Vagina bei einem Höhlen-Insekt geehrt. Zum Dank schickten sie ein Video von sich in einer Höhle. «Wir können leider nicht bei der Preisverleihung sein, denn wir müssen ja weiter Höhlen erforschen.»

Forscher aus Brasilien, Kanada und Spanien wiesen erstmals menschliches Blut in der Ernährung der Fledermausart Kammzahnvampir nach - und bekamen dafür einen Ig-Nobelpreis. Auch sie bedankten sich per Video, mit Plastik-Vampirzähnen im Mund. Wissenschaftler aus Frankreich und den USA erhielten die Auszeichnung für ihre mithilfe von Gehirn-Scan-Technologien durchgeführten Untersuchungen der Frage, in welchem Ausmaß manche Menschen sich vor Käse ekeln.

Dass viele identische Zwillinge sich selbst visuell nicht voneinander unterscheiden können, wiesen Forscher aus Italien, Spanien und Großbritannien nach und bekamen dafür einen Preis. Wissenschaftler aus Spanien zeigten, dass Babys eher auf Musik reagieren, wenn diese elektromechanisch in der Vagina der Mutter gespielt wird, als wenn sie auf dem Bauch der Mutter gespielt wird.

«Haben sie je in einem Bus gesessen und bemerkt, dass der alte Mann, der ihnen gegenüber sitzt, sehr große Ohren hat?», fragte der britische Wissenschaftler James Heathcote das Publikum. Er hatte das bemerkt - und maß bei 206 Patienten nach. «Und es stimmt. Die Ohren wachsen rund zwei Millimeter pro Jahrzehnt. Macht mit dieser Information, was ihr wollt.»

Moderator Marc Abrahams, Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu kurioser Forschung, beendete die Gala schließlich mit seinen traditionellen Abschlussworten: «Wenn Sie dieses Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben - und besonders dann, wenn Sie einen gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!»

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