Wie Bakterien sich aus der Falle schrauben
Interdisziplinäres Team entdeckt ungewöhnliche Bewegungsform von Bakterien in Sedimenten
Das Team um den Mikrobiologen Prof. Dr. Kai Thormann, Institut für Mikrobiologie und Molekularbiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, konnte unter dem Mikroskop beobachten, wie sich das Bakterium Shewanella putrefaciens mit Hilfe seiner Flagelle quasi aus der Falle schraubte. Um die Flagelle sichtbar zu machen, hatten die Forscher das Flagellenfilament mit stark fluoreszierenden Molekülen gekoppelt. Die marinen Sedimente, in denen Shewanella putrefaciens lebt, simulierten sie durch Polysaccharidstränge. In diesem künstlichen Sediment steckte das Bakterium immer wieder fest und konnte sich nicht mehr durch Schieben oder Ziehen mit der Flagelle befreien. Die Zellen schalteten dann überraschenderweise auf eine andere Bewegungsform um: Sie wickelten die Flagelle um den Zellkörper und die Zelle schraubte sich durch den Kontakt mit der umgebenden Oberfläche rückwärts aus der Falle. Anschließend nahm die Flagelle wieder die ursprüngliche Form an, und das Bakterium bewegte sich wieder im normalen Modus.
Numerische Simulationen in der Arbeitsgruppe des Marburger Physikers Prof. Dr. Bruno Eckhardt, LOEWE-Zentrum SYNMIKRO und Fachbereich Physik der Philipps-Universität Marburg, konnten diese Bewegung des Flagellums reproduzieren und zur Aufklärung des Mechanismus beitragen. So setzt der Wechsel zu der um die Zelle aufgewickelten Form der Flagelle mit einer mechanischen Instabilität in der Nähe des Zellkörpers ein: Sobald die Kraft des Motors auf die Flagelle zu groß wird, knickt die Flagelle ab, nimmt eine andere molekulare Struktur an und bewegt sich in Richtung der Zelle.
Diese Bewegungsart erweitert das Spektrum der Motilität von Bakterien um eine weitere, mit der Mechanik des Flagellums zusammenhängende Bewegungsform. Da eine Vielzahl bakterieller Spezies sich durch strukturierte Lebensräume bewegen muss, gehen die Forscher davon aus, dass die nun entdeckte bakterielle Bewegungsforum weitverbreitet und gerade in den bislang wenig untersuchten strukturierten Umgebungen von großer Bedeutung ist.
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