Gegen Eisen im Kopf: Forscher finden Anti-Aging-Mikromolekül

16.02.2017 - Deutschland

Während der Alterung, aber auch bei Alzheimer oder Parkinson reichern sich die Nervenzellen im Gehirn mit Eisen an. Forscher vom Leibniz-Institut für Alternsforschung (FLI) in Jena und der Scuola Normale Superiore im italienischen Pisa konnten nun erstmals im Wirbeltier nachweisen, dass die MikroRNA miR-29 diese Ablagerungen verhindert – ein möglicher Ansatzpunkt zur Behandlung von Alzheimer-, Parkinson- und Schlaganfallpatienten.

FLI/Grimm/Kästner

Altern im Zeitraffer: Der N. furzeri hat eine natürliche Lebensspanne von nur wenigen Monaten (links: junges Männchen des langlebigen Stammes, 6 Monate alt; rechts: greises Männchen, 13 Monate alt). An ihm konnten Forscher aus Jena und Pisa nun zeigen, dass Gehirnzellen sich mit einer Anti-Aging-MikroRNA vor Eiseneinlagerungen schützen – ein möglicher Ansatzpunkt zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer.

MikroRNA als Anti-Aging-Mittel im Gehirn

Wenn der Mensch altert, altert auch sein Gehirn. Die mentale Leistungsfähigkeit nimmt ab und neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson, aber auch Schlaganfälle häufen sich. Ein möglicher Grund dafür ist die zunehmende Einlagerung von Eisen in den Nervenzellen, die sich bei allen Wirbeltieren nachweisen lässt. Forscher des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena und der Scuola Normale Superiore in Pisa, Italien, entdeckten nun im Rahmen des Forschungsprojektes JenAge einen neuen Mechanismus, der diese Eiseneinlagerungen im Alter mit der MikroRNA miR-29 in Verbindung bringt. Diese MikroRNA ist eigentlich als Tumorsuppressor bekannt, behindert also die Vermehrung von Krebszellen. Offensichtlich reguliert sie aber auch, ob sich Eisen in Neuronen einlagern kann oder nicht. Am Fisch Nothobranchius furzeri – dem kurzlebigsten Wirbeltier, das im Labor gehalten werden kann – zeigte das Team um Alessandro Cellerino von der Scuola Normale Superiore (SNS), dass bei Fischen, bei denen miR-29 unterdrückt wurde, die Eiseneinlagerungen deutlich stärker waren und zu einer frühzeitigen Gehirnalterung führten. Im gesunden Fisch war hingegen umso mehr miR-29 in Nervenzellen nachweisbar, je älter das untersuchte Exemplar war. In Gehirnzellen wirkt mit zunehmendem Alter miR-29 also als eine Art Anti-Aging-Molekül, indem es die Anhäufung von Eisen verhindert.

Neue Therapieansätze für die Behandlung von neurodegenerativen Krankheiten und Schlaganfällen

„Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse auch für den Menschen relevant sind“, ordnet der Studienleiter Alessandro Cellerino, Professor für Physiologie an der SNS in Pisa und Gastwissenschaftler am FLI, die Ergebnisse ein. Tatsächlich sind verstärkte Eisenablagerungen bei Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen oder Schlaganfällen seit langem bekannt, und auch eine reduzierte Konzentration von miR-29 in diesen Fällen wurde schon nachgewiesen. Dass miR-29 als molekularer Schalter fungiert und die Eisenablagerung verhindern kann, ist allerdings neu. „Unsere Ergebnisse sind überraschend und stimmen uns hoffnungsvoll. Denn es werden bereits Medikamente auf miR-29-Basis für die Krebstherapie entwickelt, und möglicherweise können sie auch Ansatzpunkt für die Behandlung von Alzheimer, Parkinson oder zur Therapie nach einem Schlaganfall sein“, so Cellerino weiter.

Erste Neuentdeckung im noch jungen Altersmodell „N. furzeri“

Der afrikanische Killifisch Nothobranchius furzeri ist ein noch sehr junges Alternsmodell. Erst seit der Entschlüsselung seines Genoms durch das Leibniz-Institut für Alternsforschung (FLI) Ende 2015 steht er für genetische Studien zum Prozess des Alterns in Wirbeltieren zur Verfügung. „Es zeigt sich schon jetzt sehr deutlich, dass die zehn Jahre, die wir mit unseren Kooperationspartnern in die Genomentschlüsselung investiert haben, sich nun auszahlen“, erklärt Prof. K. Lenhard Rudolph, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts. „Es gibt kein anderes Wirbeltier, das so schnell altert wie dieser Fisch. An ihm können wir Altern im Zeitraffer erforschen. Und weil fast 90% der menschlichen Gene auch im Fischgenom vorhanden sind, können wir die meisten Forschungsergebnisse auf den Menschen übertragen“, ergänzt Mario Baumgart, der die Studie als Postdoc in Jena begleitet hat. Nicht zuletzt deshalb sind die Hoffnungen groß, mit den neuen Ergebnissen einen Schritt in Richtung der Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen gemacht zu haben.

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