Schub für winzige Boote

Nanoroboter durch enzymatische Reaktion oder Ultraschall durch biologische Flüssigkeiten bewegen

15.02.2017 - Deutschland

Nanoroboter und andere Minivehikel könnten in der Medizin eines Tages wichtige Dienste leisten – etwa ferngesteuerte Eingriffe vornehmen oder pharmazeutische Wirkstoffe an einen gewünschten Ort im Körper befördern. Allerdings ist es bislang noch schwierig, solche miniaturisierten Gefährte zielgenau durch biologische Flüssigkeiten wie Blut, Gelenkschmiere oder das Innere des Augapfels zu steuern. Forscher des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme stellen nun zwei neue Ansätze vor, Antriebe für winzige Schwimmkörper zu konstruieren. Bei einem Motor erzeugen Luftblasen, die durch Ultraschall in Schwingung versetzt werden, den Vortrieb. Beim anderen bewegt eine Strömung, die durch die Produkte einer enzymatischen Reaktion hervorgerufen wird, einen Nanoschwimmer.

© MPI für Intelligente Systeme

Ein Enzym-getriebene Nanoroboter: Mit Urease beschichtete Nanoröhrchen werden in einer harnstoffhaltigen Flüssigkeit zum Düsenantrieb, weil das Enzym den Harnstoff in gasförmige Produkte spaltet. Da die Röhrchen stets kleine Asymmetrien aufweisen, strömen die Reaktionsprodukte an einer Seite aus dem Röhrchen heraus und erzeugen einen Rückstoß.

© Tian Qiu/MPI für Intelligente Systeme

Ultraschallmotor für Miniroboter: Der quaderförmige Motor, den Forscher um Peer Fischer entwickelt haben, ist mit Kammern für Bläschen zweier unterschiedlicher Größen versehen (gelb und blau). Die Bläschen einer Größe befinden sich jeweils auf einer Längshälfte jeder langen Seite. Mit Ultraschall versetzen die Forscher die Bläschen in pulsierende Schwingungen. Die Blasen unterschiedliche Größe erzeugen dabei einen unterschiedlich starken Rückstoß, sodass der Quader um seine Längsachse rotiert.

© MPI für Intelligente Systeme
© Tian Qiu/MPI für Intelligente Systeme

Düsenflugzeuge machen es vor. Sie verbrennen einen Treibstoff, stoßen die Verbrennungsprodukte in eine Richtung aus und bewegen sich dadurch in die entgegengesetzte Richtung fort. Forscher am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Stuttgart machen es ganz ähnlich, allerdings in einer viel kleineren Dimension. Bei ihrem Unterwasser-Nanoroboter handelt es sich um ein einwandiges Nanoröhrchen aus Siliciumdioxid, gerade mal 220 Nanometer (Milliardstel Meter) im Durchmesser. Normalerweise würde sich ein solches Teilchen in Flüssigkeiten von selbst nicht fortbewegen. Das Nanoröhrchen beschichteten die Wissenschaftler entweder nur innen oder innen und außen daher mit dem Enzym Urease, das Harnstoff in Ammoniak und Kohlendioxid zu zerlegt.

Bringt man ein derartig präpariertes Röhrchen in eine Flüssigkeit, die Harnstoff enthält, wird dieser an der Urease-beschichteten Wand zersetzt. Die Reaktionsprodukte bewirken in der Flüssigkeit eine Strömung, die sie wie durch eine Düse von dem Röhrchen weg schwemmt. Da ein solcher Nanoschwimmer entweder an einem Ende dünner ist als am anderen oder die Urease nicht völlig gleichmäßig in beiden Hälften verteilt ist, entsteht dabei ein Rückstoß, der den Mikroschwimmer in die entgegengesetzte Richtung schiebt – wie beim Düsenflugzeug. Die Nanodüsen erreichten Geschwindigkeiten von 10 Mikrometern pro Sekunde, also knapp vier Zentimeter in der Stunde.

Das kleinste Düsentriebwerk der Welt

Die Beschichtung eines Nanoroboters für einen Chemo-Antrieb zu nutzen, ist zwar keineswegs neu. Mit der 220 Nanometer kleinen Öffnung stellt das nun vorgestellte Röhrchen aber den kleinsten bislang konstruierten Düsenantrieb der Welt dar. „Unser bisheriger Rekord, der derzeit auch noch im Guinness-Buch der Rekorde geführt wird, war rund dreimal so groß“, erklärt Samuel Sanchez, der die Gruppe Intelligente Nano-Bio-Technologie am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme leitet und zugleich eine Professur am Institute for Bioengineering of Catalonia in Barcelona innehat.

Und noch etwas ist bei der Nanodüse neu, an deren Entwicklung auch Wissenschaftler vom Harbin Institute of Technology im chinesischen Shenzhen beteiligt waren: Erstmals sind alle verwendeten Materialien und Reaktionspartner vollständig biokompatibel. „Bisherige derartige chemische Antriebe basierten in der Regel auf einem metallischen Katalysator, an dessen Oberfläche dann Wasserstoffperoxid in Wasser- und Sauerstoffmoleküle zerlegt wurde“, so Sanchez. Dabei entstehen Sauerstoffbläschen, was für eine Schubkraft in die entgegengesetzte Richtung sorgt. Beides, Wasserstoffperoxid und die Gasblasen, hätte Nachteile beim Einsatz im menschlichen Körper. Anders die Urease-beschichtete Variante mit den in Wasser löslichen – und damit blasenfreien – Reaktionsprodukten. „Urease kommt ohnehin im menschlichen Organismus vor“, so Sanchez.

Jetzt wollen die Forscher die Bioverträglichkeit genauer testen – und dabei auch untersuchen, ob es gelingt, solche Mikroröhrchen in einzelne Zellen einzuschleusen. „Das wäre natürlich notwendig, um zum Beispiel Wirkstoffmoleküle an ihr Ziel zu bringen“, so Sanchez.

Schwingende Bläschen geben Schub

Waren Gasbläschen beim genannten Ansatz noch unerwünscht, so sind sie bei den Institutskollegen in der von Peer Fischer geleiteten Gruppe Mikro-, Nano- und Molekulare Systeme sogar das Herzstück eines völlig neuen Antriebsprinzips für Miniroboter. Allerdings blubbern die Gasblasen hier nicht frei durch die Flüssigkeit und können dem Organismus daher auch nicht schaden. Vielmehr schließen die Forscher die Mikroblasen in kleine zylindrische Kammern entlang eines Kunststoffstreifens ein. Zum Antrieb werden die Gasblasen, weil sie sich durch Ultraschall zum Schwingen bringen lassen, sich also periodisch ausdehnen und zusammenziehen. Da sich die pulsierenden Blasen in Kammern befinden, die zu einer Seite hin offen sind, dehnen sie sich nur durch diese Öffnung aus. Auf die gegenüberliegende Kammerwand üben sie dabei eine Kraft aus, die den Kunststoffstreifen antreibt. Um es zu einem nennenswerten Vortrieb zu bringen, arrangierten die Forscher in ihrem Polymerstreifen gleich mehrere parallele Kammern mit Luftblasen.

Wichtig dabei: Von der Größe der Bläschen hängt ab, durch welche Schallwellenfrequenz sich diese zum Schwingen bringen lassen. Je größer die Blasen, desto kleiner die entsprechende Resonanzfrequenz. Diesen Zusammenhang nutzten die Forscher, um ihren Schwimmer abwechselnd mit und gegen den Uhrzeigersinn rotieren zu lassen. Dazu platzierten sie auf den beiden Hälften der vier langen, der Länge nach geteilten Quaderflächen Blasen unterschiedlicher Größe an. In einer Flüssigkeit brachten dann zwei verschiedene Schallfrequenzen jeweils die Luftbläschen einer Größe zum Schwingen. Auf die Weise erzeugten die Wissenschaftler Schubkräfte ausschließlich an einer Hälfte der Quaderflächen, sodass der Quader um sich selbst rotierte. Dieser kleine akustisch angetriebene Rotationsmotor mit jeweils fünf Quadratmillimeter großen Längsflächen brachte es dabei auf bis zu tausend Rotationen pro Minute.

Eine Möglichkeit, Minischwimmer zu steuern

„Die Variation der Blasengröße ermöglicht es somit, einen Minischwimmer gezielt in unterschiedliche Richtungen zu steuern“, sagt Tian Qiu, der ebenfalls Stuttgarter Max-Planck-Institut forscht und an der Studie maßgeblich mitgewirkt hat. Ein weiterer Vorteil des neuen Antriebsprinzips sei, dass sich auch geometrisch kompliziert gebaute Miniroboter mit den hauchdünnen Kunststoffstreifen samt Kammern für die Bläschen beschichten lassen, so Qiu. Darüber hinaus eigne sich die Anwendung von Ultraschall auch für optisch undurchdringliche Medien wie etwa Blut. Mit Lichtwellen, die auch ein potenzielles Steuerungsinstrument für Mikroantriebe sind, lässt sich da nichts ausrichten. Ob das neue Antriebsprinzip seine Vorteile auch in der Praxis ausspielen kann, wollen die Forscher nun mit Tests in echten biologischen Medien überprüfen.

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Heiß, kalt, heiß, kalt -
das ist PCR!