Neu entdeckte seltene Erkrankung
Wie das Immunsystem die Entstehung von Tumoren verhindert
Unser Immunsystem hat neben der Abwehr von Infektionserregern auch eine wichtige Funktion bei der Verhinderung einer Tumorentstehung. Bei immungeschwächten Patienten können diese Überwachungsfunktionen versagen: neben einer Neigung zu Infekten kann das Risiko der Tumorentstehung steigen. Um hier therapeutisch eingreifen zu können, ist es von entscheidender Bedeutung die beteiligten Signalwege zu verstehen. Münchner Forschern ist es gelungen, einen neuen angeborenen Immundefekt zu identifizieren und die mit ihm verbundene Neigung zur Entstehung von Tumoren zu untersuchen.
Die Arbeitsgruppe um Prof. Christoph Klein im Dr. von Haunerschen Kinderspital hat im Rahmen der internationalen Care-for-Rare Alliance bei Kindern aus dem Nahen Osten und aus Südamerika Mutationen in einem Gen namens CARMIL2 identifiziert. Die Patienten fielen auf, da sie an vielen Stellen im Körper Tumore der glatten Muskelzellen entwickelten, die mit Epstein-Barr-Viren (EBV) assoziiert waren. Wichtige Immunzellen der Patienten – die T-Lymphozyten – weisen eine Störung in einem Signalweg auf, welcher durch Aktivierung des Oberflächenmoleküls CD28 initiiert wird. Dies führt dazu, dass die T-Zellen der Patienten nicht adäquat ausreifen und in ihrer Funktion gestört sind. Das betroffene Gen spielt zudem eine wichtige Rolle in einer weiteren Aufgabe der Immunzellen: es wird für die Beweglichkeit und zielgerichtete Wanderung benötigt. Entsprechend weisen die Lymphozyten der Patienten eine Störung der Polarität und des Migrationsverhalten auf.
Der CD28-Signalweg ist eine therapeutische Zielstruktur: im Rahmen der sogenannten Immun-Checkpoint-Blockade hemmen neue Medikamente hemmende Einflüsse und steigern so die anti-tumorale Immunität. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass eine effektive T-Zellantwort wichtig ist, um die Entstehung von seltenen EBV-assoziierten Tumoren zu unterdrücken.
"Ich freue mich, dass es unserem interdisziplinären Team gelungen ist, die Ursachen dieser neuen Erkrankung aufzuspüren. Das Wissen um Krankheitsursachen und -mechanismen ist sehr wichtig, um neue Therapien für Kinder mit lebensbedrohlichen Erkrankungen zu entwickeln. Das ist unser Auftrag in der universitären Pädiatrie!", sagt Dr. Tilmann Schober, der gemeinsam mit Dr. Thomas Magg Erstautor der Studie ist. Dr. Fabian Hauck, klinischer Leiter der Immundefektambulanz am Haunerschen Kinderspital, ergänzt: "Es sind Kinder mit immer noch unheilbaren Erkrankungen, die uns auffordern, die Medizin weiterzuentwickeln. Dieser Herausforderung stellen wir uns, indem wir internationale und interdisziplinäre Netzwerke bilden und Krankheitsursachen seltener Immunerkrankungen aufklären."
Neben dem Team des Dr. von Haunerschen Kinderspitals sind Kooperationspartner im Max von Pettenkofer-Institut, im Institut für Pathologie, im Genzentrum, in der TU München, im Helmholtz Zentrum München, an der Medizinische Hochschule Hannover sowie an der Universidade Federal de Minas Gerais in Brasilien beteiligt.
Originalveröffentlichung
„A human immunodeficiency syndrome caused by mutations in CARMIL2“ T. Schober, T. Magg, M. Laschinger, M. Rohlfs, N. D. Linhares, J. Puchalka, T. Weisser, K. Fehlner, J. Mautner, C. Walz, K. Hussein, G. Jaeger, B. Kammer, I. Schmid, M. Bahia, S. D. Pena, U. Behrends, B. H. Belohradsky, C. Klein & F. Hauck; Nature Communications; 8, Article number: 14209 (2017)