Neue Mechanismen der Frosttoleranz von Pflanzen aufgedeckt
"Kältestress gehört zu den Umwelteinflüssen, die direkte Auswirkungen auf das Wachstum und den Ertrag von Pflanzen zeigen", sagt die Pflanzenmolekularbiologin Professorin Brigitte Poppenberger. Mit ihrer Arbeitsgruppe im TUM-Fachbereich für Biotechnologie gartenbaulicher Kulturen untersucht sie die Mechanismen, mit denen sich Pflanzen äußeren Einflüssen anpassen. Im Mittelpunkt ihr Forschungen stehen schon seit längerem die Brassinosteroide. So konnte sie bereits in früheren Forschungsarbeiten anhand der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) als Modellpflanze aufzeigen, wie genau diese 1979 erstmals beim Raps identifizierten Pflanzenhormone das Wachstum von Pflanzen fördern. Tatsächlich war schon lange bekannt, dass sie bei der Entwicklung der Pflanzen eine Rolle spielen. Der genaue Wirkmechanismus jedoch blieb im Dunkeln. Erst durch die Arbeit der Biotechnologen am TUM-Standort in Weihenstephan konnte dieser genau verstanden werden.
Nicht zufällig entschied sich Brigitte Poppenberger für ihre aktuelle Studie erneut für die Ackerschmalwand. Wegen ihrer Anspruchslosigkeit, einfachen Struktur und ihrem kleinem Wuchs gilt sie nicht nur als Lieblingspflanze der Genetiker im Allgemeinen. Auch für die Suche nach den Kälteschutzmechanismen von Pflanzen bietet das kleine Kraut optimale Voraussetzungen, denn es überlebt bei niedrigen Temperaturen und kann seine Frosttoleranz durch Kälteanpassung erhöhen. Poppenberger beschreibt nun die bis dato unbekannte Seite der bislang als Wachstumshormone bekannten Brassinosteroide.
Um die Mechanismen aufzuklären führten die Forscher Experimente durch, in denen sie Arabidopsis-Pflanzen langsam sinkenden Temperaturen aussetzten. Bei Versuchen mit Wildformen im Labor zeigte sich, dass die Pflanze bei zunehmender Kälte damit beginnt, in ihren Zellen sämtliche von der DNA in RNA umgeschriebene Gene zu verändern. "Dadurch verringert sich ihr Wachstum, wodurch sich ihre Überlebenschancen erhöhen", erklärt sie den natürlichen Schutzmechanismus der normalen Pflanzen.
Molekularer Weg zum Winterspeck
Ein anderes Ergebnis erhielten die Forscher bei ihren Versuchen mit genetisch veränderten Modellpflanzen, die Brassinosteroide nicht mehr selbst herstellen oder als Signal erkennen konnten. Während Wildtypformen Temperaturen von Minus sechs Grad noch oft überdauerten, zeigte der Großteil der Mutanten bereits deutliche Schäden, was die essentielle Funktion der Steroidhormone in diesem Prozess beweist. Wie die Forscher bei der Analyse des Vorgangs herausfanden, erhöhen Brassinosteroide die Frostresistenz, indem sie ein Protein namens CESTA regulieren. Dieses steuert in einer Signalkaskade die Expression von Genen, bei der DNA in RNA umgeschrieben wird. Auf diese Weise beeinflusst es in weiterer Folge die Proteinzusammensetzung der Zellen, was unter anderem zu einer veränderten Fettsäurekomposition führt. Dadurch wird auf molekularer Ebene dafür gesorgt, dass sich die Pflanze quasi einen Winterspeck zulegt, der sie vor Kälteschäden schützt.
Hormonelles Pflanzendoping aus der Düse
Diese genauen Kenntnisse der Reihenfolge und Art der chemischen Prozesse bei der pflanzlichen Steroidhormonwirkung stellen nicht nur wichtige Fortschritte für die grundlegende Erforschung der Anpassungsstrategien bei Pflanzen dar. Vielmehr bieten sie aus Sicht der Forscher darüber hinaus Lösungen für Probleme, die im Zuge des Klimawandels in der Landwirtschaft aufgetreten sind. Auch wenn die meisten bei globaler Erwärmung nur an das vermehrte Auftreten von Hitzeperioden denken, ist auch verstärkt mit Frostvorkommnissen wie Früh- und Spätfrost zu rechnen, welche verheerende Ernteausfälle zur Folge haben können. "Der konventionelle Weg resistentere Pflanzen zu züchten, ist bislang wenig erfolgreich gewesen, da Kälteresistenz und vermindertes Wachstum schwer zu trennen sind", sagt Brigitte Poppenberger. "Doch durch unsere Entdeckung, dass Brassinosteroide Wachstum und Kälteresistenz gleichermaßen fördern, bieten sich neue Möglichkeiten, beide Merkmale bei Pflanzen hervorzubringen", ist sie überzeugt. Auch sei es möglich Nutzpflanzen mit Brassionosteroiden zu besprühen, um beide Wirkungen zu erzielen. "Das könnte ein gangbarer Weg sein - jedenfalls legen die Ergebnisse das nahe."