Qualitätskontrolle für die Gensequenzierung

15.03.2016 - Schweiz

Die Gensequenzierung wird heute breit eingesetzt, doch für die Bestimmung einer Antikörper-Immunantwort war diese Methode bisher zu wenig genau. Ein neues, auf genetischen Barcodes beruhendes Kontrollsystem macht die Technik nun sehr viel zuverlässiger – und bereit für den Einsatz zur Entwicklung von Impfstoffen und Antikörper-Medikamenten.

PublicDomainPictures, pixabay.com, CC0

Die ETH-Wissenschaftler gewinnen Informationen zu Antikörpern, indem sie deren Erbsubstanz analysieren.

Forscher am Departement Biosysteme der ETH Zürich in Basel entwickelten eine neue Methode, mit der sie das riesige Sortiment an Antikörpern eines Lebewesens auf einen Schlag genetisch erfassen können. Damit können sie beispielsweise sehr präzise nachverfolgen, wie das Immunsystem nach einer Impfung oder einer Infektion Antikörper zur Abwehr eines Krankheitserregers herstellt. Die neue genetische Methode von Wissenschaftlern um Sai Reddy, Professor für Biomolekulartechnik, liefert weit mehr Informationen als bisherige, seit Jahrzehnten existierende Techniken der Antikörperbestimmung.

Die Technik der ETH-Wissenschaftler analysiert anstatt der Antikörper-Proteine die Boten-RNA-Moleküle, welche der körpereigenen Proteinherstellungsmaschinerie als Bauanleitung für die Antikörper dient. Um die Bauanleitungen zu entziffern sowie um deren Anzahl zu bestimmen, setzen Wissenschaftler die sogenannte RNA-Sequenzierung ein.

Grosse Zahl an Antikörpern

«Die Wissenschaft machte bei der Sequenzierungstechnik in den vergangenen Jahren grosse Fortschritte. Sequenzierungen sind schneller und billiger geworden. Ausserdem können heute rechnergestützt riesige Datenmengen verarbeitet und ausgewertet werden», erklärt Reddy. «Dennoch war die Methode für die Analyse von Antikörper-RNA bisher schlecht geeignet.»

Zu den grossen Herausforderungen gehört, dass die Zahl der Antikörper im Körper riesig ist – Schätzungen zufolge gibt es davon mehrere Milliarden verschiedene Varianten. Deren Unterschiede auf genetischer Ebene sind zum Teil gering.

Genauigkeit als Herausforderung

Um RNA-Moleküle für die Sequenzierung vorzubereiten, kopieren Wissenschaftler deren genetischen Code zunächst milliardenfach. Dabei können sich Fehler (Mutationen) einschleichen. Bisher war es für Wissenschaftler nicht einfach zu entscheiden, ob zwei leicht unterschiedliche genetische Sequenzen tatsächlich für zwei verschiedene Antikörper stehen oder nicht doch für einen einzigen Antikörper, bei dem sich bei der Probenvorbereitung Mutationen eingeschlichen haben.

Ausserdem lieferte die Sequenzierung eines Gemischs von RNA-Molekülen bisher nur sehr ungenaue Angaben über die Häufigkeit der jeweiligen Moleküle im Gemisch. Der Grund dafür: Beim erwähnten Kopieren der RNA-Moleküle werden nicht alle Moleküle im genau gleichen Ausmass vervielfältigt.

Über 98 Prozent der Fehler vermeiden

Um diesen Problemen zu begegnen ergänzten Reddy und seine Kollegen die RNA-Sequenzierung nun mit einem Kontrollsystem, das auf genetischen Barcodes beruht. Damit und mit einer computergestützten Auswertung der Sequenzierungsdaten ist es ihnen gelungen, die Genauigkeit der Sequenzierung massiv zu erhöhen, sowohl was künstlich eingefügte Mutationen als auch die relative Konzentration der RNA-Moleküle im Gemisch angeht. «Über 98 Prozent aller Fehler merzen wir damit aus», sagt Tarik Kahn, ein Postdoc in Reddys Gruppe.

Konkret wird im neuen Verfahren jedes RNA-Molekül vor der Vervielfältigung mit einem zufälligen aber einmaligen genetischen Barcode etikettiert. Zusätzlich wird auch während der Vervielfältigung den Molekülen ein einmaliger Barcode angehängt.

Anhand der Barcodes können die Wissenschaftler in einer computerbasierten Auswertung der Sequenzierungsdaten die ursprünglichen Antikörper-RNA-Moleküle bestimmen (und sie von den im Sequenzierungsprozess mutierten Molekülen unterschieden). Ausserdem können die Forscher anhand der Barcodes und mit einem Algorithmus die tatsächliche Häufigkeit der Antikörper-RNA-Moleküle bestimmen.

Impfstoffentwicklung und Früherkennung

Die neue Methode erlaubt nun den Einsatz der Sequenzierung von Antikörper-RNA in der immunologischen Forschung. Hilfreich ist sie etwa für die Entwicklung von Antikörper-Medikamenten und Impfstoffen. Reddy arbeitet dabei mit verschiedenen Pharmafirmen zusammen. «Man kann mit unserer Technik zum Beispiel sehr genau nachverfolgen, wie sich eine Immunantwort mit der Zeit verändert, etwa in Patienten mit einer HIV-Infektion», sagt der ETH-Professor, der für seine Forschung kürzlich eines der begehrten Stipendien des Europäischen Forschungsrats ERC erhalten hat. «Mit den bisherigen Messungen von Antikörper-Proteinen haben Wissenschaftler vor allem die sehr häufigen Antikörper entdeckt. Eine Immunantwort bringt jedoch immer eine ganze Reihe von leicht unterschiedlichen Antikörpern hervor. Mit der Sequenzierung lassen sich auch die weniger häufigen darunter sehr genau – und sehr schnell – charakterisieren.»

Ausserdem kann man mit der Antikörper-RNA-Sequenzierung bereits in einem frühen Stadium geringe Mengen an Antiköper-RNA nachweisen, während man bei der Proteinmessung auf eine genügend hohe Konzentration von Antikörper-Protein im Blut angewiesen ist. Die Sequenzierung eröffnet daher neue Möglichkeiten für die Diagnose, zum Beispiel für die Früherkennung von Krebs oder von Autoimmunkrankheiten.

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