Kuschelhormon wirkt schmerzlindernd

Max-Planck-Forscher entdecken eine neue Wirkung von Oxytocin

08.03.2016 - Deutschland

Manchmal reichen kleine Moleküle aus, um unsere Stimmung oder auch den Stoffwechsel zu verändern: eines wie Oxytocin, das an der Entstehung von Gefühlen wie Vertrauen und Liebe beteiligt ist. Das Hormon wird ausschließlich im Gehirn gebildet und unter anderem über die Hirnanhangsdrüse ins Blut abgegeben. Bislang war unbekannt, warum diese Oxytocin-produzierenden Nervenzellen mit dem Hirnstamm und dem Rückenmark verknüpft sind. Forscher des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung in Heidelberg haben nun eine kleine Population an Nervenzellen entdeckt, die die Ausschüttung von Oxytocin ins Blut koordiniert und auch Zellen im Rückenmark anregt. Eine Reizung dieser Zellen erhöht den Oxytocinspiegel im Körper und hat eine schmerzlindernde Wirkung.

© Eliava et al., 2016

Eine kleine Gruppe Oxytocin-produzierender Nervenzellen (rot) koordiniert die Freigabe von Oxytocin über Blut und Rückenmark.

Schnelle Geburt: Die Bezeichnung des Hormons im Griechischen weist bereits auf eine wichtige Aufgabe hin: Bei der Geburt löst Oxytocin eine Kontraktion der Gebärmuttermuskulatur aus und leitet die Wehen ein. Außerdem ist es wichtig für eine starke Bindung zwischen Mutter und Kind sowie den Milcheinschuss der Mutter. Es reguliert zudem soziale Interaktionen im Allgemeinen. Es wird deswegen oft als Kuschelhormon bezeichnet

Das Hormon wird ausschließlich im Hypothalamus produziert. Oxytocin-bildende Nervenzellen werden in zwei unterschiedlich große Zelltypen unterteilt: Die großen Oxytocin-produzierenden Nervenzellen sind mit der Hirnanhangsdrüse verbunden, die Oxytocin über Kapillaren ins Blut abgibt. Die kleinen sind mit dem Hirnstamm und den tiefen Regionen des Rückenmarks verknüpft. Die Funktion dieser Verbindungen war bisher unklar. Es wurde vermutet, dass sie wichtig für die Kontrolle des Herz-Kreislauf-Systems oder auch der Atmung sein könnte.

Kleine Zellen, große Wirkung

Forscher des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung und ihre Kollegen aus anderen Ländern haben nun eine schmerzstillende Wirkung von Oxytocin entdeckt und festgestellt, dass die Freisetzung nicht nur über das Blut, sondern auch über das Rückenmark reguliert wird. „Wir konnten einen neuen Aspekt der Wirkung von Oxytocin nachweisen und haben zudem eine neue Subpopulation an kleinen Oxytocin-produzierenden Neuronen entdeckt“, erklärt der Direktor Peter Seeburg. „Eine Gruppe des kleinen Zelltyps von etwa 30 Zellen sendet seine Nervenenden zu den großen Neuronen, wodurch Oxytocin über die Hirnanhangsdrüse ins Blut abgegeben als auch zum Rückenmark, wo Oxytocin als Neurotransmitter dient, um Nervenzellen zu hemmen." Diese Population koordiniert somit die Oxytocin-Freigabe. „Es ist faszinierend, dass die Koordination der Oxytocin-Wirkung von so wenigen Zellen abhängt“, so Seeburg.

Mit dem Griff in die optogenetische Werkzeugkiste konnten die Wissenschaftler die Population der kleinen Zellen im lebenden Versuchstier gezielt mit Licht stimulieren und dazu bringen, über beide Wege mehr Oxytocin auszuschütten. Ratten, die anschließend einen erhöhten Oxytocin Spiegel im Blut hatten, reagierten weniger stark auf die Berührung eines entzündeten Fußes. Das deutete auf eine geringere Schmerzempfindung hin. Eine Hemmung der Oxytocinwirkung erhöhte dagegen das Schmerzempfinden.

Die Forscher gehen davon aus, dass es die Untergruppe Oxytocin-produzierender Zellen auch im menschlichen Gehirn gibt. „Vermutlich ist das menschliche Oxytocin-System jedoch komplexer und besteht aus mehr als 30 Zellen“, erklärt Seeburg. Die Funktion dieser Zellen lässt sich im Menschen zudem nur schwer untersuchen. Trotzdem könnten die Erkenntnisse ein neuer Ansatz für die Entwicklung von Schmerztherapien sein.

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