Gewebe-Ingenieure wollen Verletzungen schneller heilen lassen
Jeder, der bereits einmal ein größeres Loch im Kopf hatte oder einen komplizierten Knochenbruch und daher Haut oder Knochen implantiert bekommen musste, weiß, wie langwierig er oft ist: Der Prozess, bis die Verletzung wieder vollkommen verheilt ist. Eine riskante Zeit, in der unter anderem gefährlichen Keimen ein echtes Einfallstor geboten wird.
Die Vision von Biophysikern um Prof. Dr. Daniel Huster vom Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Universität Leipzig ist es daher, den Einheilungsprozess von Haut- und Knochenimplantaten gezielt zu beschleunigen. Gelingen soll dies, indem Materialien entwickelt werden, die Zellen an den Rändern der Wunde dazu anregen, in den Bereich der Verletzung einzuwandern und schneller neues Gewebe aufzubauen. Dieses neue, vom Körper selbst gebildete Gewebe soll dann nach und nach das eingesetzte biologisch abbaubare Implantat ersetzen.
Um dieses Ziel zu erreichen, muss jedoch erst der Prozess dahinter verstanden werden. Einen Baustein davon haben die Wissenschaftler nun aufgeklärt: Wie ein wesentlicher Faktor, das Eiweiß Interleukin-10, an ein Gewebeimplantat bindet, sodass dann an die eigenen Zellen der Befehl gegeben wird, schnell neues Gewebe zu bilden.
Die Biophysiker haben herausgefunden, wie Interleukin-10 an bestimmte Kohlehydratketten bindet, die auf den Gewebeimplantaten angebracht werden, und welche Wechselwirkungen diese beiden Moleküle dann miteinander eingehen. Anhand ihrer Modelle können sie nun zeigen, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, wie sich dabei aneinander heften und damit auch miteinander interagieren. Die entscheidende positive Erkenntnis ist dabei: Die Bindung von Interleukin-10 an die Kohlenhydrate ist recht schwach, sodass dieser Botenstoff leicht freigegeben werden kann, um Zellen entsprechend zu stimulieren.
"An die Orte der Transplantation wandern nicht nur positive Faktoren wie das Interleukin-10 und docken dort an die Zellen an, sondern auch negative, die beispielsweise Entzündungen auslösen", erklärt Prof. Huster. Diese Andockstellen würden daher als entscheidender Dreh- und Angelpunkt dafür gesehen, welche Stoffe in die Wunden gelangen und wie gut die Heilung verläuft. "Kennen wir diese genau, wollen wir die Kohlehydratketten als Bindungspartner im Implantat so modifizieren, dass sie möglichst nur noch gutartige Moleküle binden." Die Erkenntnisse darüber, wie Interleukin-10 sich genau an die Kohlehydratketten bindet, ist ein wesentlicher Schritt dahin.
Im Sonderforschungsbereich "Matrix-Engineering" suchen Biophysiker, Biochemiker, Chemiker, und Mediziner der Universität Leipzig gemeinsam mit Materialwissenschaftlern, Zellbiologen und Bioinformatikern der TU Dresden und verschiedenen außeruniversitären Einrichtungen nach neuen Methoden und Biomaterialien, die Knochen- und Hautverletzungen schneller heilen lassen und somit den Patienten langwierige Behandlungsprozesse ersparen sollen.