Extrem resistenter Tuberkulose-Erreger entwickelt weitere Resistenzen gegen neue Antibiotika

09.02.2016 - Deutschland

Wissenschaftlern unter Leitung des Leibniz Forschungszentrums Borstel, des Instituts für Mikrobiologie und Laboratoriumsdiagnostik in Gauting, des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) haben bei einem Tuberkulose-Patienten zum erstem Mal einen extrem resistenten Mycobacterium tuberculosis Stamm mit zusätzlichen Resistenzen gegenüber den neuen Antibiotika Delamanid und Bedaquilin nachgewiesen.

canstock/ggw1962

Keine Hemmhöfe machen Antibiotikaresistenz sichtbar.

Mit über neun Millionen Fällen und mehr als eineinhalb Millionen Toten pro Jahr ist die Tuberkulose (TB) immer noch eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten weltweit. Eine große Herausforderung für die TB-Bekämpfung ist die Ausbreitung multiresistenter (MDR) oder extrem resistenter (XDR) Tuberkulose-Erreger im osteuropäischen und asiatischen Raum. MDR/XDR-Bakterien haben Veränderungen im Erbgut, die sie gegenüber den wirksamsten Anti-Tuberkulosemitteln unempfindlich machen. Dadurch kann die normale Therapie, die schon eine Behandlung von sechs Monaten umfasst, nicht mehr eingesetzt werden. Bei der MDR-TB- Therapie steigen Behandlungsdauer, Nebenwirkungen und Kosten mit der Resistenz der Erreger dramatisch an, während ihre Wirksamkeit sinkt. Das führt dazu, dass weltweit über die Hälfte aller XDR-TB-Infektionen nicht erfolgreich behandelt werden können.

Große Hoffnungen werden daher in die neuen Medikamente Bedaquilin (Sirturo®, Janssen-Cilag, USA) und Delamanid (Deltyba®, Otsuka Novel Products, Japan) gesetzt, die im Jahr 2014 zur Therapie zugelassen wurden und auch gegen MDR-Tuberkulose-Erreger wirken. Die Antibiotika wurden wegen des riesigen Bedarfs und des Fehlens alternativer Substanzen in einem beschleunigten Verfahren zur Zulassung gebracht.

Allerdings zeigte sich die hohe Anpassungsfähigkeit der Tuberkulose-Erreger schnell: etwa sechs Monate später berichteten Forscher der Universität Zürich über Bedaquilin-resistente Tuberkulose-Bakterien bei einem jungen Tibeter, der das Mittel im Rahmen einer MDR-TB-Behandlung in der Schweiz bekommen hatte. Der schwerkranke Patient wurde aufgrund des Versagens der Bedaquilin-Therapie mit Delamanid und sechs weiteren Antibiotika behandelt. Obwohl es dem Patienten zunächst rasch besser ging, brach die TB zwei Monate später erneut aus. Daraufhin führte das Referenzlabor der Weltgesundheitsorganisation in Gauting bei München weitere spezielle Antibiotika-Resistenztests durch.

Die Gautinger Wissenschaftler um den Arzt Dr. Harald Hoffmann stellten fest, dass die Bakterien zusätzlich zur bestehenden Bedaquilin- auch noch eine Delamanid-Resistenz entwickelt hatten. In Zusammenarbeit mit der Gruppe um Prof. Dr. Stefan Niemann vom Forschungszentrum Borstel und Dr. Peter Keller vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Universität Zürich, konnten die Forscher eine Veränderung im Erbgut als Ursache der Resistenz erkennen.

„Die Studie verdeutlicht die hohe Anpassungsfähigkeit der Tuberkulose-Erreger. Neue Medikamente können durch Veränderungen im Erbgut des Erregers schnell unwirksam werden. Zudem besteht die Gefahr, dass diese neu erworbenen Resistenzen durch direkte Übertragung des Erregers und Neuinfektionen weitergegeben werden und zu lokalen oder regionalen MDR-TB-Ausbrüchen führen“, erläutert Stefan Niemann, der im DZIF den Forschungsschwerpunkt Tuberkulose koordiniert.

In diesem Fall konnten die Forscher eine Veränderung eines der Proteine aus dem Flavinstoffwechsel als Ursache ausmachen, ein Stoff, der für das Aktivieren des Antibiotikums nötig ist. Die genaue Kenntnis des Resistenzmechanismus bietet aber auch Chancen: Zum einen können Resistenzen in klinischen Isolaten nachgewiesen werden, zum anderen bietet sich nun die Möglichkeit, die Resistenz zu umgehen.

„Eine mögliche Option wäre zum Beispiel, Patienten das Flavin zusammen mit den Wirkstofftabletten zu verabreichen und somit einer Resistenzentwicklung vorzubeugen“, so Harald Hoffmann. „Ob das funktioniert, müssen zunächst weitere Laborversuche zeigen.“

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