Tiefe Blicke in den Nanokosmos
Es ist womöglich eine Besonderheit, dass eine technische Neuerung fürs Labor den Chemie-Nobelpreis wert ist, doch hat die neue Mikroskoptechnik, die im Jahr 2014 ausgezeichnet wurde, die Bildgebung in den Lebenswissenschaften tatsächlich revolutioniert. Im neuen Biomedizinischen Centrum (BMC) ist ein Mikroskop mit der sogenannten STED-(STimulated Emission Depletion)-Technik denn auch eines der Highlights im Gerätepark. Es erzielt eine Auflösung von unter 50 Nanometer; dieser Wert ist mehr als viermal so gut wie bei herkömmlichen Mikroskopen. Die Lichtmikroskopie rückt damit in Bereiche vor, die zu erreichen bis vor nicht allzu langer Zeit niemand für möglich gehalten hätte. Mit den neuen Geräten werde es möglich, Fragen zu untersuchen, die sich lichtmikroskopisch bislang nicht angehen ließen, erklärt Dr. Steffen Dietzel, der die zentrale Einheit zum Bioimaging am BMC leitet. Jetzt erst sei es möglich, die Anordnung vieler kleinerer Strukturen innerhalb der Zelle genauer zu untersuchen und damit Rückschlüsse auf die biologische Funktionsweise zu ziehen. Wie beispielsweise sind einzelne Komponenten des Chromatins räumlich angeordnet? Keine unerhebliche Frage, denn schließlich ist die Steuerung der darin verpackten Gene ein, wenn nicht der zentrale Mechanismus in jeder Zelle.
Das BMC versteht sich als Zentrum für angewandte Zellforschung, deshalb gehören bildgebende Verfahren zu den zentralen Untersuchungstechniken, egal ob die Wissenschaftler nun die flexiblen Programme von Immun-, Nerven- oder Stammzellen erforschen. „Die Biomedizinische Forschung ist überwiegend eine sehr abstrakte Forschung, weil sich die Wissenschaftler die molekularen Zusammenhänge häufig nur indirekt erschließen können“, sagt Professor Peter Becker, Inhaber des Lehrstuhls für Molekularbiologie und Geschäftsführender Vorstand des BMC. „Daher sind hochauflösende mikroskopische Techniken, in denen man die Strukturen in der Zelle direkt sehen und so die Vorstellungen überprüfen und anschaulich machen kann, von immenser Bedeutung.“ Das BMC hat daher eine zentrale Serviceeinheit Bioimaging eingerichtet, eine von fünf sogenannten Core Facilities, die allen Wissenschaftlern im Hause zur Verfügung stehen sollen und darüber hinaus auch Arbeitsgruppen aus anderen Bereichen der LMU, wenn die Kapazitäten dies zulassen.
Gemeinschaftliche Nutzung
In der Core Facility stehen zehn hochmoderne Lichtmikroskope für die BMC-Forscher bereit, die Hälfte davon sind sogenannte Laser-Scanning-Mikroskope, die sich wiederum in einzelnen Spezifikationen unterscheiden. Dazu gehören auch Multiphotonenmikroskope, die einen deutlich tieferen Blick in mikroskopische Präparate ermöglichen als andere Geräte. Mit der zentralen Einheit ist es möglich, Geräte wie eben das STED-Mikroskop im BMC zur gemeinschaftlichen Nutzung bereitzustellen, deren Anschaffung und Betrieb für einen einzelnen Lehrstuhl zu aufwendig wäre. „Alle Mikroskope sind bestens ausgestattet und auf dem allerneuesten Stand der Technik“, schwärmt Dietzel. Das ist auch deshalb möglich, weil die BMC-Wissenschaftler dafür eine Public-private-Partnership mit dem Hersteller Leica Microsystems eingegangen sind. „Das ist ein Erfolg des Programms LMUinnovativ, das ein LMU-weites Bioimaging-Netzwerk initiiert und damit die Voraussetzung für die neueste Entwicklung geschaffen hat“, betont der Sprecher des Netzwerks, Professor Ulrich Pohl, an dessen Lehrstuhl im BMC die Core Facility Bioimaging angesiedelt ist. Das weltweit agierende Wetzlarer Unternehmen unterstützt die BMC-Einheit als „European Reference Center“. Leica Microsystems nutzt die Core Facility als Erprobungs- und Demonstrationscenter. Dafür bietet das Unternehmen Schulungen für BMC-Mitarbeiter an, übernimmt Wartung und nötigenfalls Reparaturen der hochkomplexen Apparate.
„Die Partnerschaft mit dem BMC der LMU München ermöglicht uns, gemeinsam mit den Forschern Innovationen in der modernen Lichtmikroskopie zu entwickeln und deren Anwendungen in der angewandten Zellforschung zu etablieren“, so Christoph Thumser, Direktor Vertrieb Life Science Research EMEA bei Leica Microsystems. „Die enge Zusammenarbeit zwischen Leica Microsystems und der Wissenschaft hat eine lange Tradition. Denn nur so können wir sicherstellen, dass unsere Lösungen den Anforderungen der biomedizinischen Forschung heute und in der Zukunft gerecht werden.“ „Die strategische Partnerschaft mit der Firma Leica Microsystems befördert die Kommunikation zwischen führenden Mikroskopieentwicklern und besonders anspruchsvollen Anwendern“, sagt Becker. „Beide Seiten werden von diesem beispielhaften Dialog profitieren.“
Offiziell eröffnet wird die Core Facility Bioimaging am 17. Februar mit einem wissenschaftlichen Symposium zur „Plastizität zellulärer Programme und ihrer Visualisierung mit Hilfe moderner Mikroskopietechniken“. Das Symposium, das beide Kooperationspartner gemeinsam organisiert haben, richtet sich an Forscher unterschiedlicher Disziplinen wie Physiologen, Molekularbiologen, Immunologen und Zellbiologen.
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