Auf dem Weg zu einer Impfung bei schwerer Virusinfektion des Gehirns

Forscher zeigen neue mögliche Behandlungsmethoden für eine tödlich verlaufende Gehirnerkrankung auf

25.09.2015 - Schweiz

Der Mensch trägt im Darm, auf der Haut und in anderen Organen eine Vielzahl von Viren und Bakterien, die zum Teil an wichtigen Körperfunktionen beteiligt sind. Unter bestimmten Bedingungen können manche davon jedoch zu Krankheiten führen. So auch ein Virus aus der Familie der Polyoma-Tumorviren, das sogenannte JC-Virus. Dieser Erreger konnte 1971 erstmals im Gehirn eines Patienten isoliert werden, der an einer seltenen Gehirnerkrankung, der «progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie» (PML), litt. Normalerweise kommt dieses Virus, das mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung in sich trägt, in der Niere und einigen anderen Organen vor. Es wurde vermutet, dass das JC-Virus die Infektion des Gehirns ausgelöst hat, die in den meisten Fällen zum Tode führt.

Schwaches Immunsystem begünstigt Infektion des Gehirns

Ein internationales Team von Forschern hat nun in zwei Studien gezeigt, dass die Antikörper von PML-Patienten häufig das JC-Virus, mit dem sie infiziert sind, nicht erkennen. «Im gesunden Menschen führt es nie zu Krankheitserscheinungen, da es durch das Immunsystem gut kontrolliert wird. Sobald aber bei schweren Krankheiten wie etwa Tumoren, Leukämien, AIDS oder bei Autoimmunerkrankungen das Abwehrsystem beeinträchtigt ist, kann das JC-Virus seine genetische Information verändern und das Gehirn infizieren», erklärt Roland Martin, Professor für Neurologie an der Universität Zürich.

Bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) beispielsweise führt die Behandlung mit einem bestimmten Antikörper im Medikament TysabriTM dazu, dass Immunzellen nicht mehr ins Gehirn gelangen – gleichzeitig aber auch die Immunüberwachung des Gehirns verhindert wird. Wenn unter dieser Therapie JC-Viren ins Gehirn eindringen, bleiben sie dort unerkannt und es kann zur «progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie» führen, der gravierendsten Nebenwirkung des sehr gut wirksamen Medikaments. Über 560 MS-Patienten weltweit haben bereits die Gehirninfektion PML entwickelt. Mehr als 20 Prozent der Erkrankten sind daran verstorben, weil es bislang keine wirksame Behandlung gibt. Erst wenn die Funktion des Immunsystems wieder vollständig hergestellt ist, kann es das JC-Virus aus dem Gehirn entfernen.

Aktives Impfverfahren und therapeutische Antikörper in Zürich entwickelt

Die Forschenden zeigen nun Wege auf, wie man möglicherweise prophylaktisch gegen die PML impfen oder diese durch virusspezifische menschliche Antikörper behandeln kann, wenn das Gehirn bereits infiziert ist. Durch Impfung mit dem Hüllprotein des Virus konnten die internationalen Gruppen sowohl in Mäusen als auch an einer PML-Patientin zeigen, dass sich die Antikörperantwort so verstärkte, dass die Patientin das JC-Virus rasch eliminieren konnte. Das sogenannte aktive Impfverfahren war zuvor an der Universität Zürich und am Universitätsspital entwickelt und bereits erfolgreich an zwei weiteren Patienten eingesetzt worden. Die für die Therapie der vorliegenden Hirninfektion interessanten JC-virusspezifischen Antikörper wurden von der Arbeitsgruppe an der Universität Zürich und Universitätsspital gemeinsam mit Forschern der Universität Tübingen und der Biotechnologiefirma «Neurimmune» in Schlieren entwickelt.

«Uns ist ein wichtiger Durchbruch gelungen», erklärt Prof. Roland Martin. «Wir konnten aus einer Patientin, die die PML überlebt hat, antikörperproduzierende Zellen isolieren und daraus neutralisierende Antikörper gegen das JC-Virus herstellen. Diese menschlichen Antikörper haben den Vorteil, dass sie die wichtigsten Mutanten des JC-Virus, die zur PML führen, erkennen. Sie stehen jetzt als vielversprechende Kandidaten für die Entwicklung einer Behandlung der PML zur Verfügung.»

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