Gesundheitsfördernde Antioxidantien indirekt riechen
© MPI f. chemische Ökologie
Hydroxyzimtsäuren sind sekundäre Pflanzenstoffe und gehören zu den wichtigsten natürlichen Antioxidantien in der Nahrung. Für Tiere, aber auch für uns Menschen sind Antioxidantien unverzichtbare Nahrungsbestandteile, denn sie schützen die Zellen und stärken das Immunsystem. Sie verhindern insbesondere die Entstehung zu vieler freier Radikaler, zumeist Sauerstoffverbindungen, und somit eine Stoffwechsellage, die allgemein als oxidativer Stress bezeichnet wird. Leidet ein Organismus unter oxidativem Stress, können freie Radikale seine Zellen angreifen und die Krankheitsanfälligkeit erhöhen. In Fruchtfliegen entsteht oxidativer Stress beispielsweise, wenn das Insekt auf Giftstoffe durch schädliche Mikroorganismen in der Nahrung reagieren muss.
Hydroxyzimtsäuren sind vor allem in Früchten zu finden. Da Früchte der bevorzugte Ort für die Eiablage von Fruchtfliegen sind, haben Wissenschaftler der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena diese Substanzen und ihre mögliche Wirkung auf die Fliegen genauer unter die Lupe genommen.
Fruchtfliegen können Hydroxyzimtsäuren nicht direkt riechen. Durch die Aktivität von Hefen werden die Antioxidantien allerdings verstoffwechselt und es entstehen Ethylphenole. Diese flüchtigen Substanzen aktivieren gezielt Geruchsneurone, die sich auf Mundwerkzeugen der Fruchtfliegen, den sogenannten Maxillen, befinden und den Geruchsrezeptor Or71a produzieren. Fliegenlarven, die ebenfalls von Hydroxyzimtsäuren enthaltenden Hefen angelockt werden und die dafür Ethylphenole als duftende Hinweise nutzen, besitzen dagegen einen anderen Geruchsrezeptor, der die Ethylphenole bindet: Or94b, ein Rezeptor, der ausschließlich in Larven anzutreffen ist und zusammen mit Or94a aktiviert wird, der einen gewöhnlichen Hefeduft bindet.
Obwohl die Fliegen Antioxidantien nicht direkt riechen können, sind Ethylphenole verlässliche Hinweise auf die Anwesenheit auf diese schützenden Stoffe in der Nahrung. Die Wahrnehmung dieser Duftsignale wirkt sich direkt auf das Verhalten der Fliegen aus: Sie werden von den Duftquellen angelockt, nehmen vermehrt Nahrung auf und legen dort ihre Eier dort ab, wo Ethylphenole die Anwesenheit gesunder Antioxidantien anzeigen.
„Diese Form von stellvertretender Duftwahrnehmung ist kein Phänomen, das ausschließlich bei Insekten anzutreffen ist. Auch bei Menschen sind Düfte, die als angenehm oder lecker wahrgenommen werden, in der Tat wertvolle Hinweise auf gesunde oder gar lebensnotwendige Nahrungsinhaltstoffe, wie zum Beispiel essenzielle Aminosäuren, Fettsäuren und Vitamine“, erläutert Marcus Stensmyr, der die Untersuchungen in der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie geleitet hat und jetzt an der Universität Lund forscht.
Die Ergebnisse sind ein weiteres Beispiel für einzelne Nervenleitungen, die vom Duftsignal über die Geruchsneurone und spezialisierte Rezeptoren einen grundlegenden Effekt auf das Verhalten der Fliegen haben. Die Nervenschaltung für Ethylphenole als Stellvertreter für wichtige Antioxidantien in der Nahrung zeigt eine weitere Facette des komplexen geruchsgesteuerten Verhaltens von Fruchtfliegen. Die Wissenschaftler werden jetzt versuchen, weitere solche Riechbahnen zu identifizieren, die an der Aufspürung wichtiger Nahrungsbestandteile beteiligt sind und letztendlich Verhalten auslösen.