Forscher entdecken neuartiges Antibiotikum
© Foto: William Fowley/Northeastern University
„Wir könnten in eine Vor-Antibiotika-Ära zurück fallen, in der ohne neue Wirkstoffe bakterielle Infektionen nicht behandelbar sind. Die Resistenzen entwickeln sich deutlich schneller, als neue Antibiotika auf den Markt kommen“, sagt Privatdozentin Dr. Tanja Schneider. Sie leitet eine Nachwuchsgruppe des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des Universitätsklinikums Bonn. Allein an Infektionen mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) sterben pro Jahr schätzungsweise rund 25.000 Menschen weltweit.
Pilze und Bakterien produzieren Hemmstoffe, um mit anderen Mikroorganismen zu konkurrieren – darunter können neuartige Antibiotika sein. Auf der Suche nach solchen neuen, bisher unbekannten Antibiotika-produzierenden Organismen durchkämmen Wissenschaftler Ozeansedimente, Böden und sogar Tierexkremente. „Die Suche ist mühsam, denn die Erfolgsquote einen wirklich neuen Wirkstoff zu finden, ist äußerst gering“, berichtet Dr. Schneider.
Forscher isolieren unbekannte Mikroorganismen aus dem Boden
Darüber hinaus lassen sich nur etwa ein Prozent der dafür in Frage kommenden Bakterien und Pilze auf herkömmlichen Nährmedien für Analysen kultivieren. Das Team um Dr. Schneider und ihre Kollegen vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Bonn sind nun mit einem internationalen Forscherteam aus den USA und Großbritannien auf diese Terra incognita vorgedrungen: Mit einem speziellen Kultivierungsverfahren gelang es einem Team unter Federführung von Prof. Kim Lewis vom Antimicrobial Discovery Center der Northeastern University in Boston (USA), bislang unerforschte und unkultivierbare Bodenbakterien mit Hilfe ihres natürlichen Substrats im Labor zu isolieren.
Mit Screening-Verfahren fanden die Forscher die gesuchte Nadel im Heuhaufen: Eines der unbekannten Bakterien produziert eine Substanz, die sich gegen ein weites Spektrum häufiger Gram-positiver Erreger als sehr wirksam erwies. Die Wissenschaftler nannten das Bakterium „Elefhtheria terrae“ und das von ihm produzierte Antibiotikum „Teixobactin“. Weitere Tests lassen vermuten, dass es absehbar keine Resistenzen verursacht. „Es handelt sich um einen hochinteressanten Wirkstoff“, sagt Dr. Schneider.
Angriff an der Achillesferse der Erreger
Die Wissenschaftler des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie des Universitätsklinikums Bonn, die auch zum Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) gehören, entschlüsselten nun den Wirkmechanismus des neuen Bakterienhemmstoffs. „Teixobactin setzt an der Achillesferse vieler Krankheitserreger an: Es hemmt die Synthese der Bakterienzellwand“, berichtet Doktorandin Ina Engels.
Auch andere Antibiotika, wie zum Beispiel Vancomycin, verhindern den Aufbau der Bakterienwand. Allerdings blockieren diese Wirkstoffe die Synthese der schützenden Umhüllung an einem Angriffspunkt – es trifft wie eine einzelne Gewehrkugel. Teixobactin wirkt dagegen wie ein Schrotschuss und attackiert an vielen Punkten den Harnisch der Bakterien. Das erklärt auch, weshalb das neuartige Antibiotikum vermutlich keine Resistenzen verursacht: „Teixobactin greift an vielen entscheidenden Stellen in den Aufbau der Zellwand an und macht bakterielle Anpassungsstrategien nahezu unmöglich“, sagt Dr. Schneider.
Das Bakteriengift hat sich als sehr effektiv erwiesen. Doch lässt es sich auch beim Menschen einsetzen? Erste Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass Teixobactin ein vielversprechender Kandidat ist. „Antibiotika mit neuem Wirkmechanismus sind ein Durchbruch für die Forschung“, sagt Dr. Schneider. Doch die Verträglichkeit und Wirksamkeit beim Menschen muss für Teixobactin erst noch in klinischen Tests erwiesen werden.