„Steuermann“ für die Regulation der Genaktivität
Aktivität des Mikroprozessor-Komplexes kontrolliert Bildung von miRNA in der Zelle
microRNAs (miRNAs) sind kurze, hoch konservierte RNA-Moleküle, die nicht in Proteine übersetzt werden, sondern eine wichtige Rolle bei der Regulation der Genaktivität spielen. Sie binden an die messengerRNA ihrer Zielgene, die daraufhin nicht mehr in Proteine übersetzt oder sogar gezielt abgebaut werden. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass bei der Bildung der miRNA zunächst die aus mehreren hundert Nukleotiden bestehende primary miRNA (pri-miRNA) entsteht. Diese wird noch innerhalb des Zellkerns durch den sogenannten Mikroprozessor, einen Komplex aus mehreren Proteinen, zur nur noch ca. 60 Nukleotide langen precursor miRNA (Vorläufer-miRNA, pre-miRNA) umgewandelt. Die pre-miRNA wird aktiv aus dem Zellkern in das Zytoplasma transportiert und dort zur reifen miRNA verarbeitet. Diese verbindet sich schließlich mit einem großen Komplex aus verschiedenen Proteinen und Nukleinsäuren, der spezifisch messengerRNAs im Zytoplasma binden und dadurch deren Übersetzung in Proteine verhindern kann.
Die Steuerungsmechanismen für diesen grundlegenden, in allen Zellen stattfindenden Vorgang sind extrem komplex. Schon länger ist bekannt, dass die Aktivität vieler miRNAs nach der Prozessierung durch den Mikroprozessor-Komplex sowohl beim Transport ins Zytoplasma als auch bei der Weiterverarbeitung zur reifen miRNA beeinflusst werden kann. Darüber hinaus wurde beschrieben, dass bereits die Abschrift der pri-miRNA-Moleküle von der DNA (Transkription) gewebespezifisch reguliert wird. Wissenschaftler unter der Leitung von Ulf Ørom vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin konnten jetzt erstmalig zeigen, dass die Bildung der miRNA insbesondere bei der „Verarbeitung“ der pri-miRNA durch den Mikroprozessor-Komplex gesteuert wird.
Die Berliner Forscher entwickelten eine neue Methode, um die einzelnen Schritte bei der Prozessierung der pri-miRNA zur pre-miRNA detailliert zu untersuchen und vor allem auch mengenmässig zu erfassen. Sie konnten zeigen, dass kein direkter Zusammenhang zwischen der Anzahl an transkribierten pri-miRNA-Molekülen und der Aktivität des Mikroprozessors existiert. Eine starke Abhängigkeit fanden sie dagegen zwischen der Aktivität des Mikroprozessors und der Anzahl an reifen miRNAs in der Zelle. Die später erfolgenden Regulationsmechanismen beim Transport in das Zytoplasma und die Bildung der reifen miRNA können diesen grundsätzlichen Zusammenhang nicht aufheben. Aus diesem Grund gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Aktivität des Mikroprozessors den wichtigsten Schritt bei der Regulation der miRNA-Entstehung darstellt.
Es gibt Hinweise, dass die Aktivität des Mikroprozessors auch an krankhaften Prozessen wie Entzündungsvorgängen und Krebs beteiligt ist. Die Forscher hoffen, dass ihre Ergebnisse dazu beitragen, die Fehlregulation der miRNA-Synthese bei Erkrankungen besser zu verstehen und vielleicht eines Tages auch beeinflussen zu können.