Neues Puzzlestück in der Autismus-Forschung
Spontane Mutationen eines wichtigen Gehirn-Gens sind ein Auslöser dieser Erkrankung
© MPI f. Psycholinguistics/ Deriziotis
Bei Autismus handelt es sich um eine Entwicklungsstörung des Gehirns, die zu Schwächen in sozialer Interaktion und Kommunikation führt. Während ein Drittel der Betroffenen keine Lautsprache entwickelt, können andere Autisten fließend sprechen, haben jedoch Schwierigkeiten, wenn es darum geht eine Konversation aufrecht zu erhalten oder nicht wörtlich gemeinte Äußerungen korrekt zu interpretieren. Somit kann die Autismus-Forschung uns helfen zu verstehen, welche neuronalen Vernetzungen im Gehirn die soziale Kommunikation steuern, und wie sie sich entwickeln.
In der Studie haben Forscher der Abteilung für Sprache und Genetik am Max-Planck-Institut in Nijmegen zusammen mit Kollegen der University of Washington untersucht, wie sich Mutationen, die das Risiko von Autismus erhöhen, auf die Funktion des TBR1-Proteins auswirken. Das besondere Interesse der Wissenschaftler galt dabei dem direkten Vergleich zwischen den bei Autismus auftretenden neuen und vererbten Mutationen. Nach Aussage der Wissenschaftler verändern die neuen Mutationen die Verteilung von TBR1 in der Zelle. „Wir stellten fest, dass die neuen Mutationen weitaus dramatischere Auswirkungen auf die Funktion des TBR1-Proteins haben als die vererbten Mutationen“, sagt Erstautorin Pelagia Deriziotis. „Ein klarer Beweis für den starken Einfluss, den sie auf die frühkindliche Hirnentwicklung haben können.“
Die Funktion des Gehirns hängt vom Zusammenspiel verschiedener Gene und Proteine ab. „Man kann das Gehirn als eine Art soziales Netzwerk für Proteine betrachten“, sagt Deriziotis. „Es gab erste Anzeichen dafür, dass TBR1 mit einem Protein namens FOXP2 ‚befreundet‘ sein könnte. Das ist faszinierend, denn FOXP2 ist eines der wenigen Gene, die eindeutig mit Sprachstörungen in Verbindung gebracht werden.“ Die Forscher haben nicht nur herausgefunden, dass TBR1 direkt mit FOXP2 interagiert, sondern auch, dass diese Interaktion nicht mehr funktioniert, wenn eine dieser beiden Proteine eine Mutation aufweist.
„Das Aufdecken dieser faszinierenden molekularen Verbindungen bei Erkrankungen, die sich auf Erwerb und Verständnis von Sprache auswirken, ist wirklich spannend“, erklärt Simon Fisher, Direktor am Max-Planck-Institut für Psycholinguistik. „Indem wir aus Erbgut-Analysen gewonnene Daten und im Labor durchgeführte funktionale Analysen zusammenführen, zeichnen wir Schritt für Schritt ein Bild der neurogenetischen Bahnen, die zu grundlegenden menschlichen Eigenschaften beitragen.“
Originalveröffentlichung
Pelagia Deriziotis et al.; De novo TBR1 mutations in sporadic autism disrupt protein functions; Nature Communications, 18 September 2014