Übergewicht und Diabetes schon im Mutterleib vorprogrammiert?

31.03.2014 - Deutschland

Wissenschaftler um Dr. Hubert Preißl und Prof. Andreas Fritsche vom Universitätsklinikum Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) haben aktuell in Diabetologia (Journal of the European Association for the Study of Diabetes) eine Studie veröffentlicht, die erstmals einen Nachweis für einen Zusammenhang von mütterlicher Insulinwirkung (=Insulinsensitivität) mit der Hirnreaktion des Kindes im Mutterleib auf einen von der Mutter getrunkenen Zuckersaft liefert. Dies könnte bedeuten, dass das Risiko für späteres Übergewicht und Diabetes im Mutterleib vorprogrammiert wird.

Es ist bekannt, dass Diabetes und Übergewicht der Mutter die fetale Entwicklung und die postnatale Entwicklung ihres Kindes beeinflussen können. Kinder von übergewichtigen Müttern oder Müttern mit Schwangerschaftsdiabetes haben ein erhöhtes Risiko für Diabetes Typ 2 und Übergewicht im Erwachsenenalter, unabhängig von ihrem genetischen Hintergrund. Hinzu kommt, dass die Prävalenz von Übergewicht und Diabetes Typ 2 weltweit ansteigt. Die Gründe für diese Veränderungen sind unklar, obwohl Umwelteinflüsse und epigenetische Mechanismen (wenn Umwelteinflüsse die Gene beeinflussen) mit hoher Wahrscheinlichkeit daran beteiligt sind. Ein wichtiger epigenetischer Mechanismus ist die sogenannte fetale Programmierung, wobei die Umwelteinflüsse, denen die Mutter ausgesetzt ist, die Programmierung der Gene ihres Kindes beeinflussen können.

In der aktuellen Studie zeigten Preißl und Kollegen, dass der Metabolismus einer Schwangeren in Folge einer Mahlzeit die fetale Hirnaktivität beeinflusst. Dazu nahmen gesunde Schwangere an einem oralen Glukosetoleranztest teil. Die mütterliche Insulinsensitivität wurde auf Basis der gemessenen Zucker- und Insulin-Werte im Blut bestimmt. Während des Test wurden mehrmals durch Töne induzierte fetale Hirnreaktionen mittels fetaler Magnetoenzephalographie ermittelt.

Die Forscher fanden heraus, dass nach 60 Minuten die Feten der insulinresistenteren Frauen langsamer auf die Töne reagierten. Wenn die Frauen basierend auf Insulinsensitivität in zwei Gruppen geteilt wurden, reagierten die Feten der insulinresistenteren Mütter im Mittel nach 283 Millisekunden auf den Ton, im Vergleich zu 178 Millisekunden in der insulinsensitiveren Gruppe.

Die Ergebnisse stützten die vor fast 50 Jahren aufgestellte Hypothese des Forschers Jørgen Pedersenn. Das Team um Preißl und Fritsche schreibt, dass es möglich ist, dass die insulinresistenteren Mütter nach einer Mahlzeit höhere Glukosespiegel und erhöhte Insulinspiegel haben. Wenn Glukose die Plazenta passiert, können diese erhöhten Glukosewerte auch einen Überschuss von Insulin im Fetus hervorrufen (Hyperinsulinämie). Dementsprechend könnten hohe Insulinwerte der Mutter mit hohen Insulinwerten der Feten zusammenhängen.

Die Autoren ergänzen: „Insulin ist zwar für eine normale Hirnreifung notwendig, chronische Hyperinsulinämie (bei hoher mütterlicher Insulinresistenz) könnte jedoch zu Insulinresistenz im fetalen Gehirn führen.“
Insulinresistenz des fetalen Gehirns könnte den Autoren zufolge als metabolische Prägung betrachtet werden, die wichtige Konsequenzen fürs spätere Leben hat. Der spätere Effekt von Hyperinsulinämie auf fetale Entwicklung wurde bereits gezeigt: Verglichen mit Neugeborenen von nicht diabetischen Müttern haben Neugeborene von diabetischen Müttern, deren Blutzucker schlecht eingestellt ist, neurophysiologische Einschränkungen und ein größeres Risiko im späteren Leben an metabolischem Syndrom, Übergewicht oder Diabetes mellitus Typ 2 zu erkranken.

Die Autoren folgern, dass niedrige mütterliche Insulinsensitivität mit langsameren postprandialen fetalen Hirnreaktionen zusammenhängt. Diese Ergebnisse liefern erste Nachweise für einen Einfluss des mütterlichen Metabolismus auf die fetale Hirnaktivität. Sie könnten möglicherweise Einfluss auf Ernährungsempfehlungen während der Schwangerschaft haben.

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